The Trouble with Being Born

Bewertung: *****

Das Idyll trügt: Im schicken Stadthaus mit Pool fängt ein Mädchen (Lena Watson) Heuschrecken und lässt sich mit Georg (Dominik Warta) durch die Sommertage und - nächte treiben. Er nennt sie Elli, sie nennt ihn Papa. Abends nimmt er sie mit ins Bett. Elli ist ein Androidenmädchen und ein Sexroboter. Sie folgt stoisch der Programmierung, die auf seinen Erinnerungen an seine verschwundene Tochter basiert. Das ist zehn Jahre her. Sandra Wollners zweiter Langfilm „The Trouble With Being Born“ ist eine einzige großartige Verstörung: in subtil sinnlichen Blicken und Dialogfetzen vor atemberaubender Bildgewalt und dunklem Soundsog führt sie ihr Publikum in aller Nicht-Eindeutigkeit und mit großer Beklemmung ins Unwohlsein. Und wie! Eine ausführliche Kritik lesen Sie hier.

Fuchs im Bau

Bewertung: *****

Der schaut aus wie ein Opfer!“ Das Urteil der Jugendlichen über ihren neuen Lehrer ist schnell gefällt. Hannes Fuchs ist neu im Bau. Auf den ersten Blick scheint er (Aleksandar Petrovic)  ein gefundenes Fressen für die Insassen und die Lehrerin (Maria Hofstätter) zu sein. Als die verschlossene Samira (Talentprobe: Luna Jordan) infolge eines sexuellen Übergriffs eine Prügelei anzettelt und in Isolationshaft muss, beginnt sie, Vertrauen zu Fuchs zu fassen. Arman T. Riahis zweiter eindringlicher Spielfilm „Fuchs im Bau“ spielt in einer Gefängnisschule, die für ein bisschen Farbe hinter Gittern sorgt. Furioses Ensemble und auch ein Kommentar zum Jugendstrafvollzug. Eine ausführliche Kritik lesen Sie hier. 

Weißbier im Blut

Bewertung: ***

Eine von einem Mähdrescher zerstückelte Leiche bereitet Kommissar Kreuzeder (Sigi Zimmerschied) weniger Kopfschmerzen als seine Liebe zu Weißbier und Schnaps. Der heruntergekommene Beamte lebt und ermittelt quasi vom Dorfwirtshaus aus. Sehr zum Missfallen seines Vorgesetzten (Johannes Herrschmann), der den grantelnden Niederbayern zu einer Therapie bei Frau Dr. März (Brigitte Hobmeier) verdonnert. Dank einiger feucht-fröhlicher „Wirtshaussitzungen“ mit der Polizeipsychologin, rafft sich Kreuzeder schließlich auf, die Ermittlungen im Mordfall aufzunehmen – und erlebt einige Überraschungen. Weniger überraschend sind die Zutaten, mit denen Regisseur Jörg Graser seinen gleichnamigen Roman verfilmt: ländliches (Schein-)Idyll, ein verhaltensorigineller Ermittler und deftiges Verbal-Ping-Pong. Fans des Provinzkrimi-Genres kommen bei dem bayerischen Komödienspaß voll auf ihre Kosten.

A Quiet Place

Bewertung ***

Nach dem Überraschungserfolg von „A Quiet Place“ war es nur eine Frage der Zeit, bis der dystopische Horrorthriller seine Fortsetzung findet. Wie im Vorgänger kreiert Regisseur und Drehbuchautor John Krasinski eine unheimliche Leinwand-Atmosphäre, die von Überraschungsmomenten und einer (nahezu) wortlosen Inszenierung lebt. Das Resultat: Packende 97 Filmminuten, in denen man mit den Protagonisten mitfiebert. Nach dem dramatischen Finale des ersten Teils ist Evelyn (Emily Blunt) mit ihren Kindern Regan (Millicent Simmonds), Marcus (Noah Jupe) und dem Neugeborenen auf sich allein gestellt. Auf der Suche nach einem Versteck vor den Alien-Invasoren, die blind sind und sich über ihr Gehör orientieren, landet die vierköpfige Familie in einem verfallenen Industriegebäude. Rasch wird den Abbotts klar, dass sie nicht die Einzigen sind, die an diesen unwirtlichen Ort Zuflucht suchen.

Cruella

Bewertung: ****

Sie ist zurück: die angsteinflößende Kultfigur Cruella de Vil. Als Schreckschraube jagte sie im Zeichentrickklassiker von 1961 Dalmatinerwelpen, um aus ihrem Fell einen Mantel zu fertigen. Nun ist der ikonischen Figur ein eigenes, köstliches Prequel gewidmet, das ihre Böswerdung skizziert. Oscarpreisträgerin Emma Stone („La La Land“) mimt die rachsüchtige, durchtriebene Designerin und liefert sich dafür mit Emma Thompson als Rivalin ein furioses Duell der Superschurkinnen. Craig Gillespies Reise ins düstere London der 1970er ist fantastisch ausgestattet, der Sound rotzfrech, das Spiel betörend. „Cruella“ ist ein Film einer Superheldin, die immer schon selbstbestimmt, intelligent und böse war. Nun auch endlich im Kino.

Wonder Woman 1984

Bewertung: **

Die Pandemie durchkreuzte im Vorjahr die Leinwandpläne für das Sequel „Wonder Woman 1984“. Und während der Streifen Ende Dezember in den USA gleichzeitig in den Kinos und auf dem Streamingdienst HBO Max erschien, schwang die Ikone hierzulande vor dem Kinostart ihr Lasso bei Sky, nun darf sie endlich die Kinoleinwand entern. Eines vorweg: Der Fortsetzung fehlt es an physischer Kraft, emotionaler Stärke und und an Charme. Der Kampf der Amazonenprinzessin, verpflanzt in die knalligen 1980er, enttäuscht. Nicht einmal die Ohrwürmer, Orwells Dystopie oder – optisch – Rotzbremsen werden gebührend gefeiert!

Es scheint, als hätte Patty Jenkis den Glauben an diese Figur sowie den Masterplan bei Projektstart abgegeben. Dabei ist der Einstieg von „Wonder Woman 1984“ so vielversprechend und betörend fotografiert: Ein Rückblick in die Kindheit der Amazonenprinzessin zeigt, wie sie sich bei Wettkämpfen auf der Insel Themyscira als vifes, starkes Mädchen erweist. Die Diana Prince, die, warum auch immer, in den 80ern strandet, hat mit diesem Mädchen nichts mehr gemein. Der lahme Plot: Die Superheldin arbeitet als Anthropologin im Museum, ihre Mauerblümchen-Kollegin Barbara Ann Minerva (Kristen Wiig) ist neidisch auf sie. Dann kommt ein magischer Stein in die falschen Hände. Und plötzlich hat sie mit dem schwindligen TV-Promi Maxwell Lord (Pedro Pascal) und mit Neo-Heldin Minerva alias Cheetah neue Konkurrenz bekommen. Zickenkrieg unter Frauen, Erkenntnisse, die an Kalendersprüche erinnern und – natürlich – eine Heldin, die sich nur nach ihrer großen Liebe sehnt. 1984 hätte uns das vielleicht überzeugt, 2021 ist es nur noch ermüdend.

Vitalina Varela

Bewertung: **

„Vitalina Varela“ nur etwas für sehr melancholische Freunde des Slow Cinema. Der portugiesische Regisseur Pedro Costa folgt darin seiner Titelfigur, gespielt von der Laiendarstellerin gleichen Namens, die ihre eigene Geschichte spielt (Leopard in Locarno als beste Schauspielerin). Kurz nach dem Tod ihres Gastarbeiter-Mannes kommt sie von den Kapverden nach Lissabon und trauert in der Armen-Vorortsiedlung mit einem desillusionierten Priester um das nie gemeinsam gelebte Leben.
Costa findet beeindruckend ausgeleuchtete gemäldeartige Bilder. Darüber hinaus ist in den bewusst monoton-langsamen 124 Minuten allerdings wenig zu holen. „Vitalina Varela“ ist ebenso träge wie düster-depressiv. Auch wenn am Ende kurz die Sonne herauskommt, lautet ein Schlussdialog doch treffend „Der Weg war schwer".