"Nomadland” ist eine Anomalie. Der Film von Chloé Zhao ist ein Roadmovie am Rande des Dokumentarischen, basierend auf einem Sachbuch, mit Laiendarstellenden und quer durch die USA gedreht. Dennoch trifft die kleine Produktion einen Nerv im Amerika der Gegenwart. Schon bei der Weltpremiere am Lido überzeugte er die Jury und viele FestivalbesucherInnen. Der Preis-Reigen hielt bis zu den Pandemie-Oscars an. „Nomadland” gewann die drei Top-Kategorien bester Film, Regie und Frances McDormand vergoldete sich als beste Hauptdarstellerin.

Die dreifache Oscar-Gewinnerin beweist darin nicht nur ungeheures Feingefühl und unglaubliche Offenheit vor der Kamera. Sie ist auch die treibende Kraft hinter dem Projekt, die sich die selten spannende Rolle einer Frau mittleren Alters auf den Leib schneiderte und die Regisseurin Chloé Zhao aussuchte. Es brauchte den frischen Blick und das feine Gespür der in den USA lebenden gebürtigen Chinesin, um die amerikanischste Filmstory seit John Ford zu Oscar-Ruhm zu bringen.

Abseits aller Auszeichnungen ist “Nomadland” vor allem ein außerordentlich kraftvoller Abgesang auf den Amerikanischen Traum. Hauptfigur Fern (Frances McDormand) ist nach dem Tod ihres Mannes zur Nomadin geworden, auch aus finanziellen Gründen. Die Bergarbeiter-Siedlung, in der sie lebte, gibt es nach der großen Wirtschaftskrise von 2008 nicht mehr. Fern schlägt sich mit Kurzzeit-Jobs durch, etwa in einer Amazon-Fabrik in der Weihnachtszeit. Dort lernt sie andere NomadInnen im Pensionsalter kennen. Für ihre nicht glorifizierende, aber dennoch unkritische Darstellung der Arbeitsbedingungen bei Amazon musste Zhao auch Kritik einstecken.


Im Film wird Fern mit den Planwagen-Pionieren verglichen. Doch in ihrer Gegenwart ist alle Utopie verloren. Nur die Begegnungen auf ihrer Reise und die Natur abseits der Straße mit Mammutbäumen, Flüssen und den felsigen Badlands gibt ihrer Geschichte immer wieder eine ruhige zärtliche Stimmung.


„Nomadland“ ist ein zutiefst amerikanischer Film einer Regisseurin, deren Filme „Songs My Brothers Taught Me“ und „The Rider“ an die spielerische Landschafts-Verliebtheit Terrence Malicks erinnern – ohne dessen Pathos. Auch bei „Nomadland” ist das Erstaunlichste die ungekünstelte Arbeit mit Laien. Sie geben dem Drama eine authentische Intensität. Würdevoll und tieftraurig wird ein Amerika gezeigt, das seine beste Zeit hinter sich hat.