Den Boss der jungen Assistentin Jane bekommen die Kinobesucher den ganzen Film über nicht zu sehen. Und doch weiß wohl zumindest jede Zuschauerin, wer gemeint ist. „The Assistant“ wurde Anfang des Jahres beim Sundance-Festival in Park City im US-Bundesstaat Utah als der erste Film zum Weinstein-Skandal beschrieben, just dort, wo der Filmmogul und mittlerweile verurteilte Vergewaltiger Harvey Weinstein nur zwei Jahre zuvor noch Hof hielt.

Doch Regisseurin Kitty Green geht bewusst über den einzelnen Fall hinaus, der für die weltweite #MeToo-Bewegung steht wie kein anderer. „Als Filmemacherin war ich mit sexueller Belästigung sehr vertraut“, erzählte sie dazu in einem Interview. „Ich beschloss, meinen Fokus auf Hollywood zu richten, als fiktionalen Film mit einer intensiven dokumentarischen Recherche, basierend auf den konkreten Geschichten, die mir Frauen erzählten.“

Ihr spartanisch-enges Kammerspiel zielt auf das System ab, das jemanden wie Weinstein in den USA – oder Dieter Wedel in Deutschland oder Gustav Kuhn in Österreich – erst möglich macht. Der Film macht die toxische Atmosphäre zwischen Angst, Gehorsam und Zynismus der Untergebenen körperlich spürbar. Green kondensiert dabei die Bürowelt auf einen einzigen langen Arbeitstag. Jane ist seit fünf Wochen als Sekretärin vor der Bürotür des Chefs platziert und steht eindeutig auf der untersten Stufe der Nahrungskette in einer New Yorker Produktionsfirma.

Großartig verkörpert Julia Garner das „Durchbeißen“ ihrer Figur, die sich ohne Verbündete keinen Fehler leisten kann. Sofort ist klar, sie ist nicht blind für das, was hinter der Tür vor sich geht. Kitty Green geht dabei ebenso subtil wie eindeutig vor. Zu sehen bekommen wir die sexuellen Übergriffe nie. Doch es gibt keine Zweifel, was gemeint ist, wenn wieder einmal eine „hübsche Kellnerin“ einen Job zugeteilt bekommt oder eine junge Schauspielerin ins Büro geführt wird. Jane sammelt derweil die Reste auf, findet Haarbänder und Ohrringe und ringt sich dann mit Mühe zu einem Bericht beim Personalverantwortlichen durch. Doch in diesem Machtsystem ist Schutz nicht vorgesehen.

Als unangenehme Konfrontation der Filmwelt mit ihrer eigenen Macht-Korruption und ihrem eigenen Karriere-Egoismus ist „The Assistant“ ein ebenso dringliches wie spannendes Stimmungsbild. Zugleich gelingt Kitty Green ein erstaunlich leises, überaus filmisches Statement, das zeigt statt erklärt