Die gute Nachricht zuerst: Das Remake von „Der König der Löwen“ ist ein Animations-Wunderwerk und, wenn man so will, eine revolutionäre technische Krönung des Kinos. Oder: eine Best-of-Tiere-Schau aller Universum- und BBC-Dokus zusammen. Nur dass es eben nicht echt ist, sondern im Computer zum Leben erweckt wurde.
„Natur 5.0“, bilanzierte daher auch „Der Spiegel“. Und wirklich: Die Darstellung der Hyänen, Löwen und aller anderen erreicht in diesem komplett virtuell produzierten Remake von Regisseur Jon Favreau eine Detailliertheit, die, vom weichen Kinosessel aus und mit 3D-Brille gewappnet betrachtet, atemberaubend ist. Fast schon furchteinflößend.

Die Tiere wirken in ihrer Mimik, ihren Bewegungen realer als real.
Die schlechte Nachricht – oder eine davon: Die Überlebenskämpfer in der Savanne büßen durch die Perfektion gegenüber ihrer überzeichneten 2D-Vorlage einiges an Charakter ein: ihre Liebenswürdigkeit zum Beispiel, ihren Charme, ihre optische Zugehörigkeit zu den Guten oder den Bösen und den unvergleichlich spitzbübischen und generationenübergreifenden Witz, der sich im erfolgreichsten Zeichentrickfilm aus dem Jahr 1994 vielerorts begeisternd in die Nostalgie-Ecke im Gehirn eingebrannt hat.


Das ist ziemlich verwirrend – denn im Gegensatz zu Disney-Filmen gibt es in der Natur zwar die natürliche Nahrungskette, aber kein dezidiertes Gut und Böse. Und die allzu menschlichen Gefühlsregungen, die Beziehung von Löwenvater Mufasa zu Sohn Simba und alle anderen muten in dieser „Realverfilmung“ wenig nachvollziehbar an. Figurentechnisch betrachtet fehlt ihnen die Seele. Oder, wie viele Fans auf Twitter kritisieren, die Persönlichkeit.

So sah das Original aus dem jahr 1994 aus
So sah das Original aus dem jahr 1994 aus © Disney


Das erschwert die Glaubwürdigkeit der Erzählung – die ließ Favreau ebenso unangetastet wie die Dialoge oder die Musik, abgesehen von einem neuen Lied von Beyoncé. Am Mittwoch startet nun das Remake in den Kinos und die Marketingmaschinerie läuft und wird Simba und Co. bestimmt royale Einspielergebnisse bescheren.

Abspann und viele Fragen offen

Dennoch bleiben nach knapp zwei Stunden viele Fragen offen: Muss man jeden Klassiker einem Remake unterziehen? Könnte man nicht einfach neue zeitgemäße, diverse Heldinnen und Helden erfinden? Und warum müssen immer ausgerechnet unsere Erinnerungen ökonomisch gemelkt werden?