Mit sechs Nominierungen startet Paul Thomas Andersons Liebesdrama ins Rennen um die heurigen Oscars. Gute Chancen auf eine goldene Statue hat Hauptdarsteller Daniel Day-Lewis, der bekannt dafür ist, sich akribisch auf Dreharbeiten vorzubereiten. Auch für seine Rolle als exzentrischen Modedesigner in „Der seidene Faden“ hat der gefragte Hollywoodstar keine Mühen gescheut.

Der 60-jährige Method Actor studierte nicht nur Haute-Couture-Entwürfe renommierter Modehäuser, sondern griff auch selbst zu Nadel und Faden und erlernte in einem Schnellsiedekurs das Schneiderhandwerk.

Das (filmische) Resultat kann sich sehen lassen: Day-Lewis spielt nicht einen fiktiven Modezampano, er ist Reynolds Woodcock. Ein spleeniger Damenschneider, der in den 1950er-Jahren die Reichen und Schönen der britischen Gesellschaft einkleidet und ein Modeimperium regiert. Alles im Leben des Kontrollfreaks ist geplant und durchorganisiert, selbst das tägliche Frühstück folgt bizarren Regeln. Der einzige Mensch, von dem er Widerworte duldet, ist seine ältere Schwester Cyril (Lesley Manville), die sich um die finanziellen Belange des Edellabels „House of Woodcock“ kümmert - bis der Einzelgänger seiner späteren Geliebten Alma begegnet.

Die von Vicky Krieps („Colonia Dignidad“) verkörperte Muse ist das exakte Gegenteil von Reynolds: jung, lebensfroh und widerspenstig. In kühlen Bildkompositionen fängt Anderson, der neben Regie und Drehbuch auch für die Kamera verantwortlich ist, die hitzigen Konflikte der beiden um die Vorherrschaft in ihrer Beziehung ein. Obwohl es der gediegenen Inszenierung an Esprit fehlt und die Protagonisten seltsam unnahbar wirken, spürt man, dass „Der seidene Faden“ für Anderson und Day-Lewis nicht einfach ein weiteres Filmprojekt, sondern eine Herzensangelegenheit ist.