Seit Jahrzehnten ist Elfie Semotan (78) unumstritten die erfolgreichste Fotografin Österreichs. Nun porträtiert der Dokumentarfilm "Elfie Semotan. Photographer" die zwischen New York und Wien pendelnde Künstlerin, die auch zwischen der Mode-, Werbe- und Kunstwelt changiert. Aus diesem Anlass sprach die Austria Presse Agentur mit Semotan über das perfekte Bild, die Vergänglichkeit und die Macht des Lichts.

APA: Wie ist es zu dem Projekt eines Dokumentaressays über Ihre Arbeit gekommen?

Elfie Semotan: Der Regisseur Joerg Burger kam schlicht und einfach zu mir mit der Idee und hat von sich erzählt. Das waren sehr gute Gespräche - und die waren dann auch der Grund dafür, dass ich den Film machen wollte. Ich habe festgestellt, dass Joerg und ich sehr ähnliche visuelle Vorlieben haben, und bei der Sichtung seiner Filme fiel mir auf, dass uns bei der Darstellung von Menschen Ähnliches wichtig ist.

In der Konzeption des Werks haben Sie dann aber dennoch loslassen können?

Semotan: Ich habe beschlossen, mich nicht einzumischen. Davon halte ich nicht viel. Wenn der Regisseur eine Idee hat, die mir gefällt und er mir vertrauenswürdig erscheint, mische ich mich besser nicht ein - so bekommt man das bessere Resultat.

Weite Sequenzen des Films zeigen Sie bei der Arbeit. Wie schwer ist Ihnen gefallen, die Präsenz der Kamera zu vergessen?

Semotan: Ich stehe nicht sehr gerne vor der Kamera. Das ist immer eine Überwindung für mich. Aber die Drehzeit hat sich über ein Jahr erstreckt. Joerg Burger war einfach da - und er war niemand, der mich gestört hat. Ich selbst bin jemand, der ungern Menschen zwingt, Dinge zu tun, die sie nicht wollen. Ich möchte sie eher ermutigen, Sachen zu machen, bei denen sie sich sicher fühlen. Und wenn sie experimentieren, werde ich keinen Vorteil daraus schlagen, der für sie schädlich wäre. Dasselbe habe ich von Joerg angenommen. Und dabei lag ich richtig.

Es gibt in "Elfie Semotan" eine einzige Sequenz, in der Sie im Interview gezeigt werden, also die Gegenwart Kamera deutlich machen. Ein bewusster Akt?

Semotan: Wir wissen alle, dass jemand, der im Film erscheint, gefilmt werden muss. Und dass man diese Präsenz zumindest in einem Moment deutlich macht, finde ich sehr gut.

Abseits seines Umgangs mit den Porträtierten zeichnet Joerg Burger als gelernten Kameramann auch eine markante Perspektivenwahl aus. Ist das in Ihren Augen ein fotografischer Blick?

Semotan: Durchaus. Er sieht Dinge, die erst durch seinen Blick bedeutsam werden. Er ist auch jemand, der mit zurückhaltenden Mitteln eine Stimmung schaffen oder ein Universum kreieren kann, das ganz seines ist. Er fährt langsam mit der Kamera und macht keine schnellen Schnitte - das gefällt mir. Es gibt keine visuellen Leerläufe im Film. Auch wenn er Straßenansichten in New York filmt, ist das alles genau komponiert. Es sind kleine Szenen, die vermeintlich keine besondere Bedeutung haben. Aber es ist schön, dass sie da sind. Er hat sich nie etwas visuell Uninteressantes geleistet.

Auch Sie gelten als eine Künstlerin, die sich sehr detailliert vorbereitet...

Semotan: Ich bereite alles ganz genau vor. Ich brauche das für mich als Ausgangslage. Aber wenn das nicht funktioniert, mache ich etwas anderes. Ich habe zwar eine Idee im Kopf, die mir gefällt. Aber manchmal schaut das Endprodukt billig aus, bisweilen ist eine Idee nicht umsetzbar. Und auf der anderen Seite gibt es Überraschungen. Manchmal richtet man die Kamera auf etwas, das großartig erscheint, und am Foto nichtssagend wird. Und dann wiederum fotografiert man etwas, das eigentlich schrecklich ist, und es wird großartig.

 Geht dieses Momentum des Unvorhersehbaren durch die digitalen Möglichkeiten der Nachbereitung verloren?

Semotan: Man kann viel am Computer kreieren. Die besonderen Momente haben aber immer mit Licht zu tun - und das lässt sich nur begrenzt rekonstruieren. Licht macht immer wieder etwas, mit dem man nie gerechnet hätte. Aber viele Fotografen heute denken weit weniger ans Licht als wir früher.

Das betrifft auch den handwerklichen Aspekt. Aber können Sie sagen, was darüber hinaus das perfekte vom guten Bild unterscheidet?

Semotan: Großartig wird ein Bild, wenn das Handwerkliche zusammenfällt mit etwas Undefinierbarem. Natürlich ist von 100 Fotos nur eines gut. Das Handwerkliche macht nicht das beste Foto. Wenn es ganz exzessiv ist, kann es sogar alles Leben zerstören. Dann hat man eine perfekte Arbeit, die nicht mehr interessant ist.

Elfie Semotan
Elfie Semotan © APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)

Fotografie hat immer auch etwas Ephemeres an sich - nicht durch ihre fehlende Beständigkeit, sondern durch die schiere Masse des Materials. Wie gehen Sie damit um?

Semotan: Es ist schön, einen Augenblick festhalten zu können. Die Unbeständigkeit des Augenblickes zu akzeptieren, fällt mir schwer. Ein Maler kann sein Bild nur einmal verkaufen, und dann ist es weg. Das muss schrecklich sein. (lacht)

Was in "Elfie Semotan" gänzlich ausgespart wird, ist Ihr Privatleben. War das für Sie tabu?

Semotan: Es hat niemand verlangt von mir. Die Namen meiner beiden Ehemänner Kurt Kocherscheidt und Martin Kippenberger schreiben sich viele gerne auf die Fahnen, weil das publikumswirksam ist. Ich habe auch nichts dagegen, dass diese Menschen, zu denen ich eine enge Verbindung hatte, erwähnt werden. Aber ich will nicht immer über die Männer definiert werden. Zugleich hatte ich nie das Gefühl, ich müsse mir meinen Platz erkämpfen - als ich sie kennengelernt habe, war ich zumindest so berühmt wie sie.

Das lag nicht zuletzt an Ihren ungewöhnlichen Arbeiten für die Werbung wie die legendären Menage a trois für Römerquelle. Hat diese Unterwanderung des Systems durch die Kunst funktioniert?

Semotan: Natürlich nicht! (lacht) Ich habe mir gedacht, man könnte die ganze Werbelandschaft schöner und intelligenter machen. Aber die Arbeiten, die ich gemacht habe, wurden mit der Zeit wieder aufgegriffen von der Branche und vereinnahmt. Im Großen und Ganzen wird alles, was funktioniert, früher oder später gegen uns verwendet. (lacht)

Hat Sie selbst die Arbeit mit dem Bewegtbild nie gereizt?

Semotan: Ich war wirklich immer sehr beschäftigt - ich hatte zwei Kinder, war verheiratet, habe gearbeitet. Für Experimente war da schlicht keine Zeit. Und der Film ist etwas sehr viel Komplexeres als Fotografie. Aber das könnte ja durchaus noch kommen.