Gewogen und zu leicht befunden – so die Bilanz der ersten Berlinale-Tage. „Chatrians Start als künstlerischer Leiter ist misslungen“, ätzt der „Spiegel“. Tatsächlich geriet das harmlos dahinplätschernde Literaturbetriebsdrama „My Salinger Year“ derart altbacken, dass es nach dem Abspann bereits vergessen ist.

„Alien“-Ikone Sigourney Weaver, mit 70 Jahren so alt wie die Berlinale, brachte Glamour auf den roten Teppich. Doch aus dieser Rolle einer schrulligen Literaturagentin, die den Kampf mit einer ehrgeizigen Assistentin aufnehmen muss, kann auch eine Leinwand-Legende nichts herausholen.

Dasselbe gilt für Johnny Depp, dem zweiten Hollywood-Besucher der Berlinale. Er gibt im Öko-Thriller „Minamata“ einen Fotografen, der einen Umweltskandal aufdeckt. Wie eine Parodie auf Captain Jack Sparrow hampelt der 56-Jährige dabei herum, wenn er dann noch zum Alkoholiker mutiert, gerät der Auftritt zur unfreiwilligen Lachnummer. Ganz Diva lässt Depp die Presse 40 Minuten warten. Dann der Auftritt im Cowboy-Dress mit blau getönter Brille. Wir alle sollten etwas mehr für die Umwelt tun, weiß der Star. Ob er mit Privatjet anreiste, bleibt unbekannt.

Als Gute-Laune-Häppchen sollte der neue Animationsstreich aus der Pixar-Schmiede für Stimmung sorgen. Doch anders als „Toy Story“ oder „Oben“ verpuffte das geplante Knallbonbon „Onward“. Es fehlt dem neuen Pixar-Streich sichtlich an Herzblut und den sonst so gelungenen Anspielungen. Mehr als Kinderkram wird kaum geboten. Aber andere Filme wollten die Hollywood-Studios der Berlinale nicht liefern.

Viel Ehr’ und „Freud“. Österreich ist dieses Jahr nicht im Bären-Rennen, in anderen Sektionen laufen jedoch einige Hochkaräter. Grund genug zum Feiern, wenn am heutigen Sonntagvormittag Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek zum traditionellen Film-Empfang in der österreichischen Botschaft in Berlin lädt.

Am Nachmittag geht es in der Reihe „Panorama“ nostalgisch weiter mit „Aufzeichnungen aus der Unterwelt“. In der Doku erzählen Wienerlied-Sänger Kurt Girk und sein Freund Alois Schmutzer, der „König der Wiener Unterwelt“, aus ihrem bewegten Leben. Die Liebeserklärung an das Wien der 1960er-Jahre versteht sich als „inoffizielle Version der Stadtgeschichte, in der es um Schießereien, Spielschulden und unglaubliche Zustände im Gerichtssaal geht“.

Gleichfalls in Wien, diesmal jenem der nahen Zukunft, spielt „The Trouble with Being Born“, der im „Encounters“-Programm startet. Die aus der Steiermark stammende Sandra Wollner, 36, erzählt in ihrem Abschlussfilm von der zehnjährigen Elli, die als Android jede Gestalt annehmen kann und zum Container für Erinnerungen wird. Ihr Zweitlingsfilm wird als großer Geheimtipp gehandelt.

Mit großen Erwartungen geht am morgigen Montag „Freud“ in den „Berlinale Series“ als Weltpremiere an den Start. Regisseur Marvin Kren: „,Freud‘ ist ein nervenzerreißender, hypnotischer Trip in die Abgründe der menschlichen Seele.“