Da meine Eltern das kommunistische Jugoslawien verlassen mussten und nach Argentinien ausgewandert sind, bin ich in Buenos Aires geboren und aufgewachsen. Die christliche Erziehung, unsere slowenische Herkunft sowie Kultur im breitesten Sinne, war meinen Eltern sehr wichtig. Und, dass wir gute, ehrliche und anständige Menschen werden.

Als ich jung war, habe ich meiner Mutter einmal vorgeworfen, sie hätte uns erzogen, als wären wir in ihrer Zeit in Ljubljana gewesen. Unsere Realität in Argentinien schien mir so viel anders. Meine Mutter hat unter Tränen geantwortet, dass sie nur weitergegeben habe, was sie von ihrer Mutter bekommen hat. Damals war ich schockiert, heute versteh ich sie so gut. Sie konnte nicht anders. Von uns wird aber viel mehr gefordert. Die Welt hat sich geändert, die Werte aber nicht. Diese Grundwerte haben wir versucht unseren Kindern weiterzugeben.

Bernarda Fink mit ihrer geliebten ersten Lehrerin Hermana Maria Rose in Buenos Aires
Bernarda Fink mit ihrer geliebten ersten Lehrerin Hermana Maria Rose in Buenos Aires © privat

Was meinen Eltern wichtig war

Natürlich war es auch ein wichtiger Bestandteil unserer Erziehung, dass darüber gesprochen wurde, wieso die Eltern ausgewandert sind. Zu Hause wurde slowenisch gesprochen, wir sechs Geschwister sangen slowenische Lieder, wir besuchten samstags die slowenische Schule und nahmen an kirchlichen, kulturellen und sportlichen Veranstaltungen unserer Gemeinschaft teil.

Bei Festen der Großfamilie wurde immer gesungen, rechts vorne Bernarda Fink
Bei Festen der Großfamilie wurde immer gesungen, rechts vorne Bernarda Fink © privat



Vor dem Durst nach Musik

Singen war für mich immer eine Urfreude, im Unbewussten. Ich habe 15 Jahre in slowenischen Chören gesungen und es gab keine Familienfeier ohne Gesang. Nach der Matura studierte ich aber zuerst vier Jahre Erziehungswissenschaften, bis ich meinen Durst nach Musik unerträglich spürte. Eine Annonce in der Zeitung hat mich zum Instituto Superior de Arte des Teatro Colon gebracht, wo ich dann studiert habe und Opernsängerin wurde. Das hätte ich mir noch kurz davor nie gedacht. Dies war für alle eine Überraschung, auch für meine Eltern, die etwas ängstlich meinen Weg mit einiger Distanz begleitet haben.

Mein Bruder Marcos Fink ist ebenfalls Sänger geworden, aber unsere Wege sind völlig verschieden. Schon im Chor war er immer Solist, was ich selten gewesen bin. Wir hatten verschiedene Charaktere. Er hat ein großes Naturtalent für Gesang und Bühne. Trotzdem studierte er Bodenkultur und wurde Ingenieur der Agrarwissenschaften. Diesen Beruf hat er fast 20 Jahre als Dozent auf der Universität in Buenos Aires ausgeübt. Singen war für ihn ein leidenschaftliches Hobby, bis er nach einem Vorsingen am Salzburger Landestheater, als ich schon längst hier war, den Riesensprung nach Europa gemacht hat. Er hat sich fortan nur mehr dem Gesang gewidmet und hat eine wirklich schöne Karriere gemacht. Er musste sich bei den Eltern nicht mehr durchsetzen wie ich.
Vieles von dem, was ich von meinen Eltern bekommen habe, ist auch mir wichtig. Die christlichen Werte sind für mich die Basis eines guten Lebens. Die Umstände sind heute anders, die Grundsteine aber bleiben. Außerdem ist an meine beiden Kinder Valentina und Simon etwas von meiner Liebe zur Musik übertragen worden. Für meine Tochter Valentina ist Singen sogar ihre Hauptbeschäftigung geworden, was mich sehr freut.

Die Sängerin mit ihren Kindern Simon und Valentina
Die Sängerin mit ihren Kindern Simon und Valentina © privat

Heimat und Zuhause

Argentinien bleibt, zusammen mit dem Land meiner Eltern, für immer meine Heimat. Suetschach im Rosental, das Kärntner Heimatdorf meines Mannes Valentin Inzko, ist mein „Zu Hause“ geworden, wo ich glücklich bin. Aber ich habe täglichen Kontakt mit Verwandten und Freunden in Argentinien.
Als meine Eltern noch gelebt haben, haben wir sie jedes Jahr in Buenos Aires besucht. Die schönen Erinnerungen an die 30 Jahre, die ich dort verbracht habe und alles Wunderbare, was mir dieses Land gegeben hat, sind unauslöschbar. Ohne diese 30 Jahre wäre ich nicht ich. Es schmerzt, dass mein Elternhaus jetzt verkauft wird. Das Nest aber lebt weiter in unseren Erinnerungen.