Es heißt im Pop ja immer, man soll gefälligst so tanzen, als ob keiner zusähe: Das geht in Zeiten der Selbstisolation natürlich besser als je zuvor. Und wenn man Francis Farewell Starlites Video zu seinem auch sonst ausgesprochen wundervollen Song "The Top" einfach als Workout-Vorlage versteht, hat man sich schon einmal fast drei Minuten lang ziemlich gut unterhalten und tüchtig verausgabt. Tipp: beim Tanz a la Starlite im Wohnzimmer vorher unbedingt die Nippes aus dem Regal räumen, sie könnten sonst Schaden nehmen.

Der Song ist offen gesagt nicht mehr ganz neu, aber von der Verfasserin gerade frisch entdeckt - und so zeitlos wie ein Prince-Hammerl. Er stammt von Starlites auch sehr empfehlenswertem Album "A Modern Promise" und dürfte unter anderem Herrschaften wie Bon Iver, Drake, Chance the Rapper und Kanye West ganz gut gefallen haben, die stellen sich jetzt jedenfalls alle zwecks Zusammenarbeit bei Starlite an. Der arbeitet übrigens gerade an einem neuen Album und pflegt ansonsten einen Tanzstil, der aussieht, als hätte der liebe Gott einen Weberknecht mit einem Zeitraffer vermählt. Wie gesagt, es ist ausgesprochen wundervoll.

Hört, hört

Falls es irgendwer noch nicht entdeckt hat: Der Schauspieler Alec Baldwin (ja, der aus "30 Rock" und ein leidenschaftlicher Trump-Parodist) führt auf den New Yorker Radio WNYC einen Podcast, in dem er witzige, smarte, ausschweifende Unterhaltungen mit Leuten führt, die ihn gerade interessieren. Zum Beispiel mit Spike Lee, Barry Sonnenfeld, Julianne Moore, Cameron Crowe, Barbra Streisand, den Gründern der Eismarke Ben & Jerry's und zuletzt mit der New York Times-Reporterin Eliza Schapiro, die ziemlich viel über Corona weiß. Das dauert, je nachdem, wie Alec und seine Gäste so drauf sind, zwischen gut 30 und gut 50 Minuten. Funktioniert natürlich auch unter dem Motto: Brush up your English.
https://www.wnycstudios.org/podcasts/heresthething

Herzerwärmend

Okay, jetzt wird es kurz peinlich, aber da müssen wir jetzt durch, Sie und ich. Es geht um "Love is Blind", ein gestreamtes Reality-Format, das natürlich - natürlich!- ausgesprochen trashig ist. Junge, fesche amerikanische Menschen werden zu einem "wissenschaftlichen" (ja, so nennen sie das tatsächlich...) Experiment in sogenannten "Love-Pods"  zu Dates zusammengeführt, bei denen sie einander zwar hören, aber durch die Wand hindurch nicht sehen können. Kann Liebe blind sein? Verknallen sie sich ineinander oder nicht? Wird es zu Liebeserklärungen kommen? Zu Eheversprechen gar? Aber ganz sicher! Ich sage nur: Traualtäre! (Mehrzahl!)

Also ja, Trash. Und doch ereignet sich nebst sagenhaften Peinlichkeiten auch ernsthaft Herzerwärmendes. Beste Unterhaltung für alle, die sich gern mit gut frisierten Protagonisten mitfreuen und mitschämen. Und dann ist da, wie gesagt, ja der Umstand, dass die Kandidaten dieser Liebesshow in getrennten Räumen sitzen, ohne Sichtkontakt oder Berührungsmöglichkeit. Wer sich da jetzt nicht an aktuelle Weltereignisse erinnert fühlt... aber das ist jetzt wahrscheinlich zu symbolschwanger. Große Gefühle jedenfalls, und fettes Drama, extrem couchtauglich. Auf Netflix.

Immer wieder, immer wieder!

Um die Uraufführung von Thomas Bernhards "Heldenplatz" im Gedenkjahr 1988 am Burgtheater entspann sich ein unglaublicher Kulturkampf. Inzwischen kann man den prächtigsten Theaterskandal mindestens der letzten 30 Jahre um die wohlfeile Leihgebühr von 3,99 Euro auf der österreichischen Streamingplattform www.flimmit.com sehen: Claus Peymanns Inszenierung der Geschichte um eine Wiener Intellektuellenfamilie, die an Österreichs dumpfer Verdrängung der NS-Zeit zerbricht. Mit fantastischen Schauspielern wie Wolfgang Gasser, Kirsten Dene, Marianne Hoppe. Die Aufnahme ist zwar optisch etwas angejahrt, HD gab es zum Aufzeichnungszeitpunktder mehr als dreistündigen Inszenierung  noch nicht.

Dennoch eine völlig zeitlose – und in vielen Aspekten unfassbar zeitgemäße – Bestandsaufnahme österreichischer Befindlichkeit. Was auch der Umstand anzeigt, dass einer der tapferen Buh-Schreier bei der Uraufführung (hier unten im Video) ein späterhin lange Zeit recht erfolgreicher Rechtspolitiker war. Seit Ibiza gibt er eher Ruhe; man malt sich gerne aus, dass all das Bernhard durchaus amüsiert hätte.