Phantomtheater in rund 1000 Schritten: Bewaffnet mit Kopfhörern, FFP2-Maske und weißen Handschuhen schickt einen Stefan Kaegi vom KünstlerInnenkollektiv Rimini Protokoll auf einen famosen Erinnerungstrip durch das neu sanierte und herausgeputzte Wiener Volkstheater. Sogar der rote Teppich ist ausgerollt. Der Audiowalk „Black Box“ startet in der winzigen Kassa auf einem Sessel mit Blick aufs leere Foyer. Dort, wo das Publikum für gewöhnlich die Fiktionsmaschine betritt, eine Karte abholt, sich zur Garderobe staut und sich eventuell noch einen Spritzer gönnt, bevor es in den Zuschauerraum emporsteigt. Nebst Bühnenabenteuer fehlen: Gleichgesinnte, Emotionen, Bussi-Bussi-Schickeria, Gerüche und Geräusche.


Mit der 90-minütigen, penibel getakteten und perspektivenreichen Tour eröffnet Neo-Intendant Kay Voges sein Haus im Lockdown und erinnert, wie sehr das Theatererlebnis fehlt. Aufgefordert, sich selbst in eine einzige lange Kameraperspektive zu versetzen, wird man über das sogenannte Führerzimmer zur Lichtbrücke ganz oben bis zu Kühlraum und SouffleurInnenkasten ganz unten geleitet.

Ganz allein im Volkstheater darf man bis in die Eingeweide vordringen. Durch Luken auf die Bühne spechteln oder den Zuschauerraum für sich haben. Dazu erfährt man im Waschsalon, in der Maske, im Pausenraum oder am Inspiziententisch Hintergründe zu den nicht sichtbaren Personen im Theaterbetrieb, zur Geschichte des Hauses oder des Landes. Von verdrängten Geschichten, die es in die repräsentativen Orte schaffen. Irgendwann steht man selbst, geblendet von Scheinwerfern, auf der Bühne. Hört von der Angst vom Betreten dieser. Verbeugung – vor diesem Theatermoment.