Frau Orth, Sie feiern Ihren 85. Geburtstag. Wie blicken Sie diesem Tag entgegen?
ELISABETH ORTH: Ich habe diesen Tag immer näher rücken sehen. Es gibt den schönen Satz „Nachher ist alles gleich, es ändert sich gar nichts“. Ob sich etwas ändert, weiß ich nicht. Das Schöne ist: Meine Familie, mein Sohn, meine Schwiegertochter und mein Enkel verlieren kein Wort darüber. Die sind so was von still und reden über andere Themen, dass ich mir denke, das glaube ich ihnen nicht.

Wie werden Sie feiern?
Es wird coronabedingt eine kleine Feier in der Familie: meiner Familie. Die ich trotz Corona einmal in der Woche sehe. Darauf bestehe ich und sie auch. Was sie aufführen werden, weiß ich nicht. Ich lasse mich gerne überraschen. Ich tue so, als wenn das ein ganz normaler Tag wäre. Das ist ein guter Trick, sie spielen mit und das kann in einem Höllengelächter enden.

Nehmen Sie diese Zahl zum Anlass, zurückzuschauen?
Das wurde ich schon einmal gefragt, ob man Bilanz zieht. Das kann ich gar nicht, denn Bilanz klingt für mich nach Ende. Erstens will ich kein Ende und zweitens lehne ich auch dieses Bilanzieren, das immer nach Schluss und ein bisschen auch nach Sterben riecht, aus Prinzip ab. Nicht, weil ich mich fürchte, sondern weil ich es unangebracht finde, so vielen Lebenden gegenüber, als Todesgeist durch die Gegend zu ziehen.


Sie lehnen auch das Stolzsein ab. Daher: Woran haben Sie rückblickend immer Freude gehabt?
Am Beruf! Wenn eine Probe gut war, auch, wenn eine Vorstellung gut gelaufen ist. Aber bei der Probe eine Nuss zu knacken, ich nehme das primitive Beispiel, ist ein reines Glücksgefühl. Wenn ich meinem Sohn zuschaue und mir gefällt, was er macht, was meistens der Fall ist. Und wenn ich mit meiner Familie am Sonntag zum Kaffeetrinken zusammenkomme. Wenn diese drei Stimmen einen wirklichen Krach machen und noch dazu der Hund bellt, der auch vorkommen will, dann denke ich mir: Was habe ich für ein Glück im Leben!

Der Sohn und die Mutter: Cornelius Obonya und Elisabeth Orth 2018 im Cafe Dommayer
Der Sohn und die Mutter: Cornelius Obonya und Elisabeth Orth 2018 im Cafe Dommayer © Katharina Schiffl

Sie stammen aus einer der berühmtesten Schauspieler-Dynastien, Ihre Eltern waren Attila Hörbiger und Paula Wessely. Sie sind immer sehr offen mit diversen Vereinnahmungen umgegangen.
Ich fand das Drumherum immer ein bisschen zu viel. Das war meinen Eltern übrigens auch zu viel. Man braucht wohl so ein Paar. Das muss in diesem Land vorkommen. Die schwärmerische Unterfütterung konnte ich nie ganz ernst nehmen und habe es zum großen Teil auch abgelehnt. Aber geschadet hat es meinen Eltern nicht.

Wie geht es Ihnen in dieser Zeit, wo der Beruf, der Ihnen so wichtig war, nicht ausgeübt werden kann?
Ich bin vom Burgtheater in Pension. Das heißt aber nicht, dass ich nicht weiß, was es bedeutet, wenn die ganze Kollegenschaft probiert, sich wie die Wilden testen lässt, Woche für Woche. Und dabei nicht weiß, ob es jemals zu einer Premiere kommt. Geht der Vorhang hoch oder sind wir alle schon im Fernsehen? Hat es einen Sinn, das Ding bis zur Generalprobe mit großer Anstrengung zu pushen? Es ist ziellos und das kann tödlich sein. Ich fürchte Schäden für die Zeit danach. Wie es nachher – wenn überhaupt – aussieht, male ich mir nicht einmal in meinen kühnsten Träumen aus.

Was befürchten Sie?
Ich fürchte, was mit der Demokratie sein wird. Wie man die selbstverständlichen demokratischen Freiheiten wieder zurückholen will, über die wir uns nie gekümmert haben. Die waren halt da. Es kann sein, dass sie dann weg sind. Ich will wirklich keine Politikerin sein, wollte ich nie – besonders jetzt nicht. Denn das ist eine Verantwortung für die nächsten zwei Generationen. Mindestens. Wie die Kinder ohne Schule weiterkommen, die Lehrlinge oder die Flüchtlinge.

Es gibt viele ältere Menschen, die sich schwertun, zur „Risikogruppe“ zu gehören. Orten Sie einen Generationenkonflikt?
Mit der Impfeinteilung hatte ich eigentlich keine Schwierigkeiten. Selbstverständlich sind die anderen zuerst dran, aber mit 85 kann man sagen: „Impft’s mich schnell, denn sonst bin ich weg!“ Das ist jetzt absichtlich humorvoll gemeint. Die Einteilung, also wer darf, wer kann, wer ist dran, wer drängt sich vor? Ich denke mir dabei: Kinder, wir haben diese Pandemie jetzt über ein Jahr! Es gibt Vergleichsmöglichkeiten und Wissenschaftler, die Vorschläge machen. Dass das immer noch ein Chaos ist, ist bitter.

Gibt es etwas, das Sie sich zum Geburtstag wünschen?
Dass ich beim Geburtstagskaffee dieses „Dingelchen“ (zeigt auf die FFP2-Maske) abnehmen kann und meine Kinder und mein Enkel auch und dass der Hund sein Leckerli kriegt.

Was wünschen Sie dem Land?
Gesundheit und Freiheit und die Sorge für beides. Das müsste das Land im Herzen Europas zusammenbringen.

Worauf freuen Sie sich nach dem Lockdown am meisten?
Auf die Umarmungen meiner Familie, nicht das brave „Hmm“ (deutet eine Umarmung auf Distanz an), sondern darauf, alle in die Arme zu nehmen.