Die Coming-of-Age-Geschichte spielt in einer Gefängnisschule und ist auch eine Hommage an den Lehrer Wolfgang Riebniger in der Josefstadt, den der Filmemacher Arman T. Riahi im Zuge der Dreharbeiten zu „Schwarzkopf“ kennenlernte. Am Dienstag eröffnet „Fuchs im Bau“ die Diagonale in Graz – coronabedingt gleich doppelt. Um 13.30 Uhr sowie um 18.30 Uhr. Es ist übrigens die erste Diagonale-Eröffnung für den 40-Jährigen Filmemacher und Drehbuchautor.


Wie haben Sie Ihren ersten Besuch in der Gefängnisschule erlebt?
ARMAN T. RIAHI: Mein erster Schultag in der Gefängnisschule war zugleich mein erster Tag im Gefängnis. Ich hatte eine große Ehrfurcht davor, denn ich bin ein Kind politischer Flüchtlinge. Mein Vater war fünf Jahre im Gefängnis, meine Mutter auch. Wir sind vom Iran über die Türkei nach Österreich geflohen und saßen damals auch zwei Wochen im Gefängnis. In dieser Schule zu sitzen, war faszinierend. Der Lehrer hat durch seinen speziellen Unterricht eine Tür in dieses Gefängnis gebracht. Die Schule war ein Raum, in dem alle ein bisschen freier denken und sein konnten und wo Farbe in ihren tristen Gefängnisalltag gekommen ist.


Der Film spiegelt die Gesellschaft wider. Ist er auch Kommentar zur Jugendhaft?
Es ist nicht nur ein Kommentar dazu, dass wir den Jugendstrafvollzug überdenken und uns an anderen Ländern orientieren könnten, in denen es einen offeneren Vollzug gibt. Das Gefängnis stigmatisiert sehr – oft kann es ein Leben lang Konsequenzen nach sich ziehen. Die meisten Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen, mit denen ich zu tun hatte, sind damit beschäftigt, dass die Kinder nicht noch einmal rückfällig werden, anstatt dass sie sich mit ihrer Resozialisierung beschäftigen. Das ist ein Problem am Jugendvollzug in Österreich. Das Gefängnis ist der ultimativ totalitäre Ort. Es gibt das Drinnen und Draußen. Und die Strafe.


Sie erzählen auch eine Geschichte über Bildung. Ihre Familie floh aus dem Iran. Wie wichtig war Bildung für Sie und Ihre Geschwister als Migrantenkinder?
Es war sehr wichtig. Unsere Eltern waren Lehrer und haben uns sehr früh die Liebe zur Kultur weitergegeben. Ich selbst hatte das Glück, in der Volksschule eine sehr besondere Lehrerin gehabt zu haben. Viele Migrantenkinder der zweiten oder dritten Generation schildern nun wie Melisa Erkurt in ihrem Buch „Generation Haram“ Probleme, die wir alle kennen.


Sie beide sind Filmemacher, auch Ihre Schwester hat studiert. Sind Sie Vorbild für Jüngere?
Darf ich Ihnen eine Nachricht vorlesen, die ich von zwei Burschen aus dem Film „Schwarzkopf“ bekommen habe?


Sehr gerne.
Sie haben geschrieben: „Hey Arman! Ich hoffe, es geht dir gut in dieser schweren Zeit. Ich habe einen Online-Shop eröffnet und möchte dir eine Kappe schenken für damals, als wir jung waren. Dein Dasein im Leben hat uns die Augen geöffnet: Dass wir, egal welcher Herkunft, eine Chance in diesem Land haben.“ Urschön.


Da kommen einem fast Tränen.
Ja, mir auch. Das ist zehn oder elf Jahre her. Und ich bin sehr gerührt. Filmemachen ist natürlich anstrengend. Aber solche Nachrichten sind wie die Luft zum Atmen. Das ist mehr Wert als jeder Preis. Das ist eine Bestätigung, dass ich mit diesem Film etwas bewirkt habe.


Hatten Sie als Junge Vorbilder mit Migrationshintergrund?
Mein Hauptvorbild war mein Bruder Arash. Es prägte mich sehr, als sein Name im Fernsehen zu lesen war. Es gab einige wenige: Emir Kusturica, Houchang Allahyari, Edita Malovčić.


Mit „Fuchs im Bau“ besetzen Sie einen Wiener Lehrer mit einem Schauspieler mit Migrationshintergrund: mit Aleksandar Petrovic. Warum?
Wir (Anm. Faris Endris Rahoma, Aleksandar Petrović) fragen uns seit Jahren, warum Österreicher Ausländer spielen können, aber Ausländer nicht autochthone Österreicher. Wir sind alle Österreicher, Wiener. Wir müssten mittlerweile darüber hinweg sein, Menschen nur auf ihr Äußeres zu reduzieren. Deswegen war es eine riesige Freude, dass ich endlich einmal für sie Figuren schreiben konnte, die wienerisch sind.