Wie ihn bloß nennen, wie fassen, diesen im Privaten, Politischen und vor allem im Schreiben eckigen und oft aneckenden Menschen? Schriftsteller, Dichter, Dramatiker, Romancier oder besser: Wort-Maniker, Magier, Sprachbe- und Sprachversessener? Im Anfang war das Wort und wird es immerdar sein. Zunächst das tastende Experiment damit („Die Hornissen“), kurz darauf die theaterreife Provokation („Publikumsbeschimpfung“).

In den literarischen Mainstream katapultierte sich das ebenso introvertierte wie rabiate Enfant terrible ausgerechnet mit der waidwunden Moritat über die Mutter: „Wunschloses Unglück“. In den Theaterolymp galoppiert ist Handke dann mit seinem „Ritt über den Bodensee“ (1971), der ihm auch in seiner Wahlheimat Frankreich zu großer Bekanntheit und Anerkennung verhalf. Um diese Zeit begann Handke auch mit jenen Aufzeichnungen – einer Mischung aus Arbeitsjournal und intimem Tagebuch –, die zum Besten und Schönsten in seinem ausufernden Schreibkosmos gehören.

In seinem Werkstättenmeisterstück „Das Gewicht der Welt“ verlieh er dem nur scheinbar Beiläufigen jene Relevanz, die ihm gebührt. Vergleiche mit Kafkas Tagebüchern waren und sind da nicht zu hochgegriffen. Es folgten schwergewichtige Romane, Erzählungen und Stücke, es folgten aber auch weniger leidenschaftliche Mittelgewicht-Beziehungen mit seiner Sprachgeliebten. Handke ruhte nie. Weder in sich noch in seiner Kunst. Mitunter nahm ihm das Kreiseln um das eigene Ego den Atem und die Orientierung. Aber ganz groß wurde der Schreiber Handke immer dann, wenn es dem Menschen Handke gelang, sich kleinzumachen und über die apodiktische Aussage den tastenden, fast demütigen „Versuch“ zu stellen. In seinen Versuchen über die Müdigkeit, die Jukebox, den geglückten Tag sind ihm mühelos beglückende Alltagsmeditationen aus dem Stift geflossen.

Auf der großen Bühne der Literatureitelkeiten musste Peter Handke freilich den Typus „Popstar“ geben, mit allen dazugehörigen Posen und Possen. Mehr als 11.400 Seiten umfasst die vom Suhrkamp-Verlag herausgegebene „Handke Bibliothek“, in der alles enthalten ist, was er je in Buchform veröffentlicht hat. Die Schubladisierungen hat Handke teils genossen, teil lustvoll dagegen angekämpft; mit der schärfsten Waffe, die ihm zur Verfügung steht: dem Wort. Seine monumentale Zumutung „Mein Jahr in der Niemandsbucht“ ist eine grandiose Provokation auf 1066 Seiten. Kaum Handlung, wenige Menschen, archaische Sprachlandschaften. Der Popstar verzichtet auf die Songs und setzt auf die Macht des Sounds.

Die störrische, aggressive Weigerung, anerkannte politische Wahrheiten und Fakten zu akzeptieren, führte zu jenem Aufruhr, der bis heute an Handke klebt. 1996 sorgte der Kärntner mit slowenischen Wurzeln mit seiner pro-serbischen Haltung in den Konflikten/Kriegen am Balkan und dem Reisebericht „Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien“ (1996) für einen Skandal. Dieser wuchs sich zehn Jahre später, als er bei der Beerdigung des in Den Haag als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellten Serbenführers Slobodan Milosevic eine Rede hielt, zur ungustiösen Affäre aus.

Das Gewicht der Welt wieder ausbalanciert hat Handke mit seinen Übersetzungen; diesfalls völkerverbindend, nicht völkerspaltend. Er hat nicht nur die Bücher der slowenischsprachigen Kärntner Dichter Gustav Janus und Florjan Lipus den deutschsprachigen Lesern nahegebracht. Auch Autoren wie Emmanuel Bove oder Walker Percy wurden von ihm kongenial ins Deutsche übertragen. Ein weiterer Beweis dafür, in welcher Welt sich Peter Handke ohne große Verletzungsgefahr bewegen kann: jener des Wortes, des literarischen Wortes.