Sie ist noch ein halbes Kind, als sie während der Nazizeit im Auftrag der kommunistischen Résistance zwei jüdische Jugendliche quer durch Paris schleift, bis sie in Sicherheit sind. Schon als Kind war sie so, werden andere später über sie sagen: Das Helfen, das sei ihr in die Wiege gelegt. Andere wiederum würden das als Makel auslegen: Schon als Kind, würden sie sagen, dann kurz bedeutungsschwanger innehalten, dann weiterfahren: Schon als Kind war sie beständig widerständig. Das ist Anne Beaumanoir immer noch – mit 96 Jahren. Ihr Credo: „Sie gehorcht dem Gebot des Ungehorsams“.

Autorin Anne Weber hat der streitbaren französischen Rebellin ein Heldenepos geschrieben, aber eines, das mit dem Genre bricht, schon aus Prinzip, denn Beaumanoir war nie eine, die ihr Tun wie Perlen auf eine Schnur fädelt und sie durch Bewunderung anderer zum Glänzen bringt. Heldin sein? Das vergeudet nur die Zeit, die man zum Helfen braucht. Auch als Neurologin und dreifache Mutter, die später für ihren Einsatz bei der algerischen Unabhängigkeitsbewegung in Frankreich zu zehn Jahren Haft verurteilt wird. Sie flieht nach Tunis, baut später das algerische Gesundheitssystem mit auf und geht mit sich selbst hart ins Gericht: Was ist Hilfe wert, wenn die Institution, für die man arbeitet, andere Interessen verfolgt?

Autorin Anne Weber stellt mit dem Heldinnenepos das Heldenepos auf den Kopf, auch weil es jene nicht vergisst, die zu all den „Helden-
taten“ beitragen. Diejenigen, die an den kleinen Rädchen drehen, ganz sachte, und damit wichtige Türen öffnen. Die Leib und Leben riskieren, aber vom Glanz der Helden überschattet werden. Ein Heldinnenepos hingegen, das strahlt für alle.

Anne Weber. Ein Heldinnenepos. Matthes & Seitz, 208 Seiten, 22,70 Euro.
Anne Weber. Ein Heldinnenepos. Matthes & Seitz, 208 Seiten, 22,70 Euro. © Matthes&Seitz Berlin