Alljährlich, wenn der chinesische Staatschef Xi Jinping seine Neujahrsansprache hält, sollte man genau hinschauen, denn traditionell sitzt er vor einer großen Bücherwand und was dort in seiner Nähe steht, das ist Programm. 2018 standen im Regal standardmäßig „Das Kommunistische Manifest“ und „Das Kapital“, aber auch zwei Bücher, die die Marschrichtung für Chinas Zukunft vorgeben: Brett Kings „Augmented“ und „The Master Algorithm“ von Pedro Domingos - zwei Bestseller über künstliche Intelligenz. Einer, der genau hingeschaut hat, ist der deutsche Journalist Kai Strittmatter.

Insgesamt 14 Jahre lang war er China-Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“ und mit „Die Neuerfindung der Diktatur“ (Piper, 288 Seiten. 22,70 Euro) legt er ein Buch vor, das Chinas Machtstreben durch künstliche Intelligenz spannend wie einen Krimi nachzeichnet. Er schildert, wie man Menschen in ein Korsett presst, um sie zu normieren, wie Hightechkonzerne wie Baidu und Alibaba mit staatlichen Stellen zusammenarbeiten, deren Daten nutzen und so die Arbeit an künstlicher Intelligenz im Eiltempo vorantreiben. Wer profitiert? Beide Seiten. Wer verliert? Jene, die im perfekten Überwachungsstaat leben und so dank allgegenwärtiger Digitalisierung ihre Überwachung erzwungenermaßen selbst in die Hand nehmen müssen.

Kai Strittmatter: Die Neuerfindung der Diktatur
Kai Strittmatter: Die Neuerfindung der Diktatur © Piper Verlag