Einmal wird er von der Straße weg als Boxkämpfer engagiert, weil einer der Athleten das Handtuch warf, dann wieder spielt er die männliche Hauptrolle in einem viktorianischen Film und soll das Herz der Königin erobern. Dass er einen mitternächtlichen Anruf von seinem verstorbenen Dichterfreund Werner Kofler erhält, verbunden mit der Bitte, ihm doch eine Stange Zigaretten zu besorgen, verwundert da genauso wenig wie eine neue, ungewöhnliche Herausforderung. Er bringt, ohne das Geschlecht gewechselt zu haben, ein Kind zur Welt, beim Stillen aber klemmt es sehr.

Wer mit Antonio Fian die Ansicht teilt, dass diese Welt reich an Hirnrissigkeiten und Absurditäten ist, wird sich nur alle zu gerne von ihm durch eine wunderbare Sammlung schräger, skurriler und surrealer Episoden geleiten lassen, ausgewiesen als „Neue Erzählungen nach Träumen“, versehen mit dem Titel „Nachrichten aus einem toten Hochhaus“. Zu Fians herausragenden Fähigkeiten zählte es ja stets, Wahrheiten, die als unverrückbar galten, als verrückt zu entlarven, meist versehen mit Ironie und wohldosiertem Sarkasmus.

Nach einer Vielzahl an brillanten Dramoletten und einem vielschichten Roman hat er es nun zu neuer, faszinierender Meisterschaft gebracht. Nicht wenige dieser Geschichten, die auch sonderbarste politische Erlebnisse oder, gar nicht so fern, sein Dasein als Schweinezüchter umfassen, belegen Nähe zu Daniil Charms, dem genialen Pionier des Absurden. Fians Miniaturen werden, rigoros verdichtet, zu Zustandsbildern eines recht schief in den Himmel gehängten Klumpen namens Erde. Und stilistisch, da ist eine Verbeugung im Neigungswinkel von 90 Grad angebracht, lassen Ror Wolf und Robert Walser herzlich grüßen.

Nichts ist, wie es scheint, das gilt für all diese Traumwandlereien, die oft völlig abrupt enden; wer will, kann das Geschehene, Geschilderte, ja weiterspinnen. Glanzlichter sind dennoch zwei längere Erzählungen: „In der Mur-Mürz-Furche“ schildert er eine Eisenbahnfahrt durch die Steiermark. Er macht unter anderem Station in Mürzzuschlag, dem frühkindlichen Bambiland von Elfriede Jelinek und geizt nicht mit Bosheiten. Die surreale Titelgeschichte führt ins ungarische Pécs, aber auch furios in den Denk- und Schreibkosmos von Werner Kofler.

Antonio Fian ist ein präziser, messerscharfer Beobachter. Er setzt einer lächerlichen, lachhaften Pseudo-Realität, die teils aus falschen, teils letzten Löchern pfeift, passende Töne entgegen, mit viel Nach- und Widerhall.

© KK

Buchtipp: Antonio Fian. Nachrichten aus einem toten Hochhaus. Droschl.
120 Seiten, 18 Euro.