Es ist eine Ausnahmesituation: Am 10. Oktober werden sich gleich zwei Schriftsteller über die Zuerkennung des Literaturnobelpreises freuen können. Nach Querelen und darauf folgenden Austritten in der Schwedischen Akademie wurde die Vergabe 2018 ausgelassen. Die beiden Nachfolger von Kazuo Ishiguro (2017) werden an dem Tag um 13 Uhr gleichzeitig bekanntgegeben.

Beim britischen Wettanbieter Nicerodds liegen derzeit zwei Frauen an der Spitze: die kanadische Dichterin Anne Carson und ihre aus Guadeloupe stammende Kollegin Maryse Condé. Knapp dahinter liegen ex aequo die Chinesin Can Xue (Pseudonym), die Russin Ljudmila Ulizkaja, der Japaner Haruki Murakami sowie der Kenianer Ngugi Wa Thiong'o. Gute Chancen werden auch der Kanadierin Margaret Atwood, der Amerikanerin Marilynne Robinson, der Polin Olga Tokarczuk und dem Ungarn Péter Nádas eingeräumt.

Der Skandal in der Akademie

Auf den weiteren Plätzen finden sich weitere große Namen wie Adonis, Mircea Cartarescu oder Ismail Kadaré. Für den in den vergangenen Jahren immer wieder gelisteten Österreicher Peter Handke gilt bei Nicerodds derzeit - ebenso wie für Jon Fosse, Javier Marias oder Milan Kundera - eine Wettquote von 21 zu eins.

Zählt zu den Favoritinnen: Anne Carson
Zählt zu den Favoritinnen: Anne Carson © AP

Die Vorkommnisse, die zur nunmehrigen Doppelverleihung geführt haben: Im Zuge der #MeToo-Bewegung wurden 2017 Belästigungs- und Vergewaltigungsvorwürfe gegen Jean-Claude Arnault, den Ehemann des Akademie-Mitglieds Katarina Frostenson, laut. Zudem war der Franzose Leiter eines Kulturvereins, der mit Geldern der Schwedischen Akademie finanziert wurde: Seine Frau hatte jahrelang über Mittel für ihren Mann mit entschieden. Auch soll Arnault die Namen von Nobelpreisträgern vorab ausgeplaudert haben.

Die Akademie entscheidet im Jahr 2018 nach einer internen Diskussion, Frostenson nicht auszuschließen. Aus Protest ziehen sich drei Mitglieder zurück, darunter auch der frühere Ständige Sekretär Peter Englund. Austritte aus der Akademie sind allerdings laut Statuten nicht möglich, eine Nachbesetzung erfolgt demnach nur nach dem Tod von Akademie-Mitgliedern, deren Anzahl mit 18 festgelegt ist. Bereits vor einigen Jahren waren zwei Sitze durch Austritte freigeworden, weswegen nunmehr nur 13 Sitze verbleiben. Der schwedische König Carl XVI. Gustaf ruft das Nobelpreis-Gremium, als dessen Schirmherr er fungiert, zur Verantwortung.

Ebenfalls Favoritin: Maryse Conde
Ebenfalls Favoritin: Maryse Conde © KK

Das Jury-Gremium gibt am 4. Mai 2018 bekannt, die Vergabe des Literaturnobelpreises in diesem Jahr auszusetzen und dafür 2019 zwei Preise vergeben zu wollen. "Wir halten es für nötig, Zeit zu investieren, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Akademie wiederherzustellen, bevor der nächste Preisträger verkündet werden kann", heißt es in einem Statement des Interims-Vorsitzenden Anders Olsson. In der Geschichte des Literaturnobelpreises hatte es bisher nur sieben Jahren ohne Vergabe gegeben: 1914, 1918, 1935, 1940, 1941, 1942 und 1943.