Im Hier und Jetzt zu leben, das ist so etwas wie das unausgesprochene Mantra des 21. Jahrhunderts. Nicht zu weit nach vorne und schon gar nicht zu weit zurückblicken, das wäre ja lähmend. Und dann versammeln sich unlängst Alt und Jung vor dem Fernseher und bescheren dem Fernsehklassiker „Wetten, dass...“ in einer einmaligen Neuauflage eine Traumquote. Wie geht das zusammen und macht uns die Pandemie gar zu kollektiven Surfern auf der Nostalgiewelle? „In Krisenzeiten wird verstärkt Nostalgie gepflegt oder aktiv nachgefragt“, bestätigt die Soziologin Katharina Scherke von der Uni Graz.

Doch der Hintergrund ist anders, als man landläufig vermuten könnte. Denn Nostalgie ist nicht zwingend ein krampfhaftes Festhalten an alten Zeiten, die man sich – durch den persönlichen Filter von negativen Begleiterscheinungen befreit – schönredet. „Nostalgie kann auch als Schutzfaktor in Krisenzeiten fungieren“, wie die Expertin erklärt. Das wurde nicht immer so gesehen: Im 17. Jahrhundert etwa, attestierte der Schweizer Arzt Johannes Hofer Soldaten, die in europäischen Armeen kämpften, eine starke Form von Heimweh – „Nostalgia“. Erst im 20. Jahrhundert hat sich der einst negative Blick auf die Nostalgie ins Positive verkehrt.