THE GREEN KNIGHT

Bewertung: ****

Helden leben von den Geschichten, die über sie erzählt werden. Auch am Hof von König Artus. Der junge Trunkenbold Gawain wäre gern Ritter der Tafelrunde, selbst wenn ihn seine Geliebte (Alicia Vikander) ohne Titel mag. Als der mysteriöse Green Knight am Weihnachtsabend am Hof auftaucht, wittert er seine Chance. Ein Jahr später muss er den Gegner erneut suchen. Ob er bei seiner Odyssee den Mut findet oder nur eine Geschichte, erzählt David Lowery mit Hauptdarsteller Dev Patel eindrücklich. Visuelles Design samt effektvoller Kamera und ein kluger Epilog machen "The Green Knight" zum starken Kinoerlebnis mit hypnotischer Wirkung. (mw)

THE FATHER

Bewertung: ***

Anthony leidet an Demenz, vergisst und verwechselt. Diese Schwäche will er sich aber nicht eingestehen und reagiert störrisch auf die Bevormundungen seiner Tochter Anne. Der Autor und Debüt-Filmregisseur Florian Zeller adaptiert sein Theaterstück und erzählt „The Father“ großteils aus der Perspektive des Vaters. Doch komplett auf dessen Seite will er das Publikum dann doch nicht ziehen. Das Drama ist ein großes Verwirrspiel mit Mitteln aus der Trickkiste des Horror- oder Psychothrillergenres. In die Filmsprache übersetzt, funktioniert das Kammerspiel erstaunlich gut. Vater und Tochter werden furios gespielt von Sir Anthony Hopkins und einer ebenso grandiosen Olivia Colman. (mw) Eine ausführliche Kritik zum Film der Woche lesen Sie hier.

CANDYMAN

Bewertung: ***

Soziale Ungerechtigkeit, Rassismus, Gentrifizierung, #BlackLivesMatter: Das Comeback des „Candymans“ unter der Regie der 31-jährigen Nia DaCosta und des Genre-Experten Jordan Peele („Wir“, "Get Out") fällt höchstpolitisch und visuell atemberaubend poliert aus. In der intelligenten Neuinterpretation des Horrorklassikers taucht der Hakenmörder erneut dann auf, wenn man seinen Namen fünf Mal vor einem Spiegel sagt. Erzählt wird die Parabel auf die Gegenwart im Kunstsetting eines jungen Künstlers (Yahya Abdul-Mateen II) und seiner Kuratoren-Freundin (Teyonah Parris) in Chicago mit betörender Kamera, brillanten Ideen, elegant stilisiertem Schattenspiel, schwarzem Humor und bissiger Gesellschaftskritik. (js) Eine ausführliche Kritik lesen Sie hier.

DOCH DAS BÖSE GIBT ES NICHT

Bewertung: ****

Der Iran ist laut Amnesty International mit rund 500 registrierten Exekutionen pro Jahr für rund die Hälfte aller verifizierbaren vollstreckten Todesurteile weltweit verantwortlich. Doch das Böse geht oft bürokratische Wege. Mohammad Rasoulof erzählt in „Sheytan Vojud Nadarad - Doch das Böse gibt es nicht“ in vier geschickt miteinander verwobenen Episoden von den Gewissensentscheidungen der Beteiligten im makaberen System. Ein persönliches Drama, das politischen Zündstoff liefert. Dafür gewann er im Vorjahr den Goldenen Bären in Berlin . In Abwesenheit, denn das iranische Regime beraubt ihn seiner Reisefreiheit. (mw)

REMINISCENCE

Bewertung: ***

Miami und New Orléans sind überschwemmt mit dunklen Wasserstraßen wie in einem Dystopie-Venedig. Die Tageshitze verlagert das Leben komplett in die Nacht. Kriegsveteran Nick Bannister (Hugh Jackman) verdient seinen Lebensunterhalt mit der Nostalgie der Menschen nach besseren Zeiten. Er leitet sie mit seiner Maschine  zu ihren schönsten Reminiszenzen - perfekt passend zur traumartig-bildhaften Essenz des Kinos selbst. Doch als eines Tages die rätselhafte Mae (Rebecca Ferguson als Femme Fatale) mit ihm anbandelt und wieder verschwindet, führt ihn seine Obsession in die grimmige Zukunftswelt. 
Klassizistisches Neo-Noir-Drama der "Westworld"-Serienmacherin Lisa Joy. Überzeugend trotz eines gelangweilt-einfältigen Hugh Jackman.(mw)

VOR MIR DER SÜDEN

Bewertung: ***

Regisseur Pepe Danquart macht sich 60 Jahre nach Pier Paolo Pasolini wie der visionäre Filmemacher einst in einem Fiat Millecento auf den Weg, um die 3000 Kilometer lange italienische Küste von Ventimiglia bis nach Triest zu erfahren und die Veränderungen von Tourismus oder Migration zu erforschen. Der Dokumentarfilm „Vor mir der Süden“ ist, sagen wir so, keine Tourismuswerbung für Jesolo und Co. Es ist ein teils nostalgisches, teils erschütterendes Bild eines Landes und eines Kontinents, in dem viele Bewohnerinnen und Bewohner zu Wort kommen. Die hintergründige Urlaubslektüre auf der Leinwand. (js)