In „99 Luftballons“, ihrem großen Hit aus dem Jahr 1983, bedarf es noch eines Generals und einer Fliegerstaffel, um die friedlichen Ballons vom Himmel zu holen. Fast 40 Jahre später erledigt das Nena schon selbst und lässt nicht nur Ballons platzen. Die 61-jährige Nena (eigentlich Gabriele Susanne Kerner), die ihre große Zeit in den 80er-Jahren hatte, aber ihre Karriere bis heute am Laufen halten konnte, entwickelt sich mit ihren Aussagen und durch ihre Auftritte immer mehr zur Ikone der sogenannten „Querdenker“.

"Schnauze voll"

Letzter Höhepunkt war ein Open-Air-Konzert in Berlin Ende Juli, das vom Veranstalter nach dem regulären Set abgebrochen wurde, weil Nena ihr Publikum wiederholt aufgefordert hatte, vor die Bühne zu kommen und somit das Corona-Sicherheitskonzept zu übergehen. Die Sängerin sagte zu ihren Fans, sie sollten sich „ihre Freiheit zurückholen“, um mit ihr zu feiern. Bei der Sängerin dürfte sich die Pandemie auch auf die Nerven geschlagen haben. „Schaltet den Strom aus oder holt mich mit der Polizei hier runter!“, brüllte sie ins Publikum. Und: „Ich hab’ die Schnauze voll!“. Wovon genau, hat sie nicht weiter ausgeführt.

Am vergangenen Sonntag thematisierte die 61-Jährige auf der Insel Rügen die Corona-Hygieneauflagen erneut. „Sagt mal Leute, hab’ ich irgendwie gesagt, dass ihr hier alle ganz nah und eng beieinanderstehen sollt?“, fragte sie in der Waldbühne in Bergen mit Blick auf dicht an dicht tanzende Menschen direkt vor der Bühne. „Ich hab’s nicht gesagt, aber ich freu mich, dass ihr es tut“, betonte sie und fügte hinzu: „Ja, jeder macht, was er will!“.

Bereits im März hatte Nena in einer Instagram-Story Fotos von einer Demonstration in Kassel geteilt. Dort waren mehr als 20.000 Gegner der Corona-Maßnahmen auf die Straße gegangen, es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei. Nena setzte ein Herzsymbol unter ihren Post und die Worte „Danke Kassel“. Außerdem bedankte sie sich beim Kollegen Xavier Naidoo „für die Musik“. Dieser, bereits seit Längerem aufgrund seiner fremdenfeindlichen Aussagen und seiner obskuren Verschwörungstheorien in der Kritik, hat mit dem ebenfalls recht schrägen Sänger Jan den Song „Was stimmt nicht?“ aufgenommen, in dem es unter anderem darum geht, dass dunkle Mächte (Pharma-Lobby) die Pandemie steuern, um die Menschheit in Angst zu versetzen.
Nena hat nicht nur durch ihre Musik, sondern immer wieder auch durch verschwurbelte Aussagen, in denen sie sich gerne als Freiheitskämpferin inszenierte, aufhorchen lassen. Und der Weg vom Freigeist über die Skeptikerin zur Verschwörungstheoretikerin scheint kein weiter gewesen zu sein.


Aber sie ist nicht der einzige „querdenkende“ Popstar. Die Brüder Richard und Fred Fairbrass von der Gruppe „Right Said Fred“ mögen keine Masken und bezeichnen die Impfungen als Schwindel. Der Brit-Musiker Ian Brown ist ebenfalls der Meinung, dass die Pandemie nur eine große Verschwörung ist. Eric Clapton will keine Konzerte mehr geben, wenn nicht auch Nichtgeimpfte zugelassen werden. Und im Vorjahr hat Instagram sogar den Account von Madonna zensiert, weil der amerikanische Superstar einschlägige Verschwörungsvideos verbreitet hat.

Ein möglicher Grund dafür, dass sich Popstars gerne als Gegenstimmen positionieren, könnte darin liegen, dass sie sich ungern in die Schranken weisen lassen – so nachvollziehbar die Schranken auch sein mögen. Sie sind es, die manövrieren und orchestrieren, nicht umgekehrt. Sie sind es, die die Massen bewegen. Deshalb sind auch sie es, die noch immer eine Vorbildwirkung haben.

Eine andere Wirkung hatte jedenfalls der Berlin-Auftritt von Nena. Ein für 21. August geplantes Konzert in Bad Segeberg (Schleswig-Holstein) wurde vom Veranstalter abgesagt. Kritik für ihr Verhalten erntete Nina übrigens vom Musikerkollegen Heinz Rudolf Kunze: „Ich verurteile das aufs Allerschärfste“, sagte er in einem Interview. Wenn Nena ihre eigenen Konzerte riskieren wolle, sei das ihre Sache. „Sie hat vermutlich Geld genug, um sich das leisten zu können. Aber durch ihr unverantwortliches und blindes Verhalten gefährdet sie nicht nur ihre eigenen Konzerte, sondern Konzerte von uns allen.“