Der mit 25.000 Euro dotierte Bachmann-Preis geht an die Graz lebende Nava Ebrahimi für ihren Text "Der Cousin" (den Text gibt es hier zum Nachlesen), den sie am Samstagnachmittag vortrug. Darin trifft die Erzählerin in New York ihren Cousin, der als Tänzer erfolgreich ist. Für sie eine fremde Welt, in der sie schließlich mit ihm das große Trauma der familiären Migrationsgeschichte verhandeln will. "Schon seltsam, du hängst fast nackt an der Fassade, aber keiner von den Leuten hier weiß, wer du wirklich bist", sagt die Autorin, worauf der Cousin antwortet: "Und du? Du hast ein Buch in Ich-Form vollgeschrieben. Du hast dich genauso entblößt. Aber kennt dich deshalb jemand wirklich?"

Für Jurorin Mara Delius handelte es sich um einen "ganz tollen Text, der nicht nur die Spätfolgen einer Migrationsgeschichte" erzählt, sondern sich darum drehe, dem darauf folgenden Anpassungsdruck zu entkommen. Auch für Insa Wilke war es ein Text, der "der Frage nach Möglichkeiten des Ausdrucks im Nicht-Sprechen" nachgehe. Klaus Kastberger, der die Autorin eingeladen hat, lobte in seiner Laudatio den Text als den komplexesten, den er je von Ebrahimi gelesen hat: "Wir sind mit diesem Text mitten in der Gegenwart." Der Text würde fragen: "Wie viel Show brauchen wir, damit wir wahrgenommen werden?" Und er bedankte sich bei seinen Kollegen, dass hier auch "schwierige Texte" eine Chance haben, wahrgenommen - und natürlich sogar ausgezeichnet zu werden.

Nava Ebrahimi wurde 1978 in Teheran geboren und ist in Köln aufgewachsen, wo sie Volkswirtschaftslehre und Journalismus studierte. Sie arbeitete mehrere Jahre als Redakteurin in Köln und Hamburg sowie als Nahostreferentin für die deutsche Außenwirtschaftsförderung. Ihr Debütroman „Sechzehn Wörter“ erschien 2017, ihr zweites Buch, „Das Paradies meines Nachbarn“, 2020. Seit 2012 lebt sie mit ihrer Familie in Graz. Mehr über Nava Ebrahimi lesen Sie hier.

Deutschlandfunk-Preis

Dana Vowinckel
Dana Vowinckel © ORF

Der mit 12.500 Euro dotierte Deutschlandfunk-Preis geht an die Deutsche Dana Vowinckel. Erst am Samstagvormittag hat die 1996 in Berlin geborene deutsche Autorin ihren Text "Gewässer im Ziplock" vorgetragen, in dem sie die Zerrissenheit einer orthodoxen jüdischen Familie seziert. Die Jury zeigte sich einhellig angetan: Für die einladende Jurorin Delius handelte es sich um einen "außergewöhnlichen Text, der den Topos der gepackten Koffer" behandle, Jury-Vorsitzende Wilke sah die Autorin als Vertreterin einer neuen Generation von Autoren, die von der Existenz von Parallelwelten erzählt. Die Autorin studiert seit 2015 Linguistik und Literaturwissenschaft in Berlin, Toulouse, Cambridge und Frankfurt (Oder). Sie arbeitet gerade an ihrem ersten Roman. 

Kelag-Preis

Necati Öziri
Necati Öziri © APA/ORF/JOHANNES PUCH

Der mit 10.000 Euro dotierte Kelag-Preis geht an den deutschen Autor und Theatermacher Necati Öziri. In "Morgen wache ich auf und dann beginnt das Leben" richtet der Erzähler einen Abschiedsbrief an den Vater, der nach einem langen Aufenthalt als politischer Gefangener in einem türkischen Gefängnis mit einer zweiten Frau ein zweites Leben begonnen und sich von seinem Sohn stark entfernt hat. Kaiser zeigte sich "irrsinnig begeistert", Wiederstein lobte die "perfekten Bilder", Kastberger fühlte sich an Kafkas "Brief an den Vater" erinnert, der gut umgedreht werde.

Necati Öziri, der Philosophie, Germanistik und Neue Deutsche Literatur in Bochum, Istanbul, Olsztyn und Berlin studiert hat, schreibt unter anderem für das Schauspielhaus Zürich, das Maxim Gorki Theater, das Residenztheater München und das Nationaltheater Mannheim. Er ist derzeit Dramaturg beim Theatertreffen der Berliner Festspiele und künstlerischer Leiter des Internationalen Forums, sowie Hausautor des Nationaltheaters Mannheim in der Spielzeit 20/21. Seine Texte drehen sich häufig um die Erfahrungen von Verlust und die Auswirkungen von politisch motivierter Gewalt auf Familien.

3sat-Preis

Timon Karl Kaleyta
Timon Karl Kaleyta © ORF

Der mit 7500 Euro dotierte Kelag-Preis geht an Timon Karl Kaleyta für seinen Text "Mein Freund am See". Timon Karl Kaleyta veröffentlichte mit seiner Band Susanne Blech fünf Alben, schrieb Songs mit Benjamin von Stuckrad-Barre und spielte hunderte Konzerte. Der 1980 In Bochum geborene Autor lebt in Berlin und ist Gründer des Instituts für Zeitgenossenschaft IFZ, mit dem er das Kompendium "Die 100 wichtigsten Dinge" herausbrachte. Eingeladen wurde er von Michael Wiederstein.

BKS-Publikumspreis

Der mit 7000 Euro dotierte Publikumspreis ging an Necati Öziri, der ja schon den Kelag-Preis zuerkannt bekam.

Von den fünf Österreicherinnen und Österreicher im heurigen Wettlesen schaffte es übrigens nur eine auf die Shortlist, aus der die "preiswürdigen Kandidatinnen und Kandidaten" von der Jury ausgewählt werden - und zwar die mit dem Bachmann-Preis ausgezeichnete Nava Ebrahimi.