Wenn man Horst Schnattler fragt, was er denn im Lockdown an musikalischen Erlebnissen so vermisst, kommt es wie aus der Pistole geschossen. Wobei man bei ihm diese Formulierung wohl präzisieren müsste: Es dürfte der Sound einer Walther PPK sein, denn der gute Ton ist ihm ziemlich wichtig – als Mastermind des Grazer Tonstudios „Klangkulisse“ ist das wenig verwunderlich. „Ich vermisse die klassischen Konzerte im Stefaniensaal enorm und freue mich auf das Theater, wo man schöne Sprache hören kann.“

Bis das alles wieder möglich ist, schafft sich der Sounddesigner mit Kollegin Eli Frauscher seinen ganz eigenen Soundkosmos namens „ambiXes“ – das weltgrößte Archiv für 3D-Soundaufnahmen von Orten in Europa und den USA. Umgebungsklänge, die vom Museum bis hin zu Videospielen eingesetzt werden können. Ziel ist es, ein sogenanntes immersives Erlebnis zu erzeugen, das vor allem auch in der virtuellen Welt zur Perfektion gelangt. Es geht um das emotionale Eintauchen, denn Optik allein ist oft zu wenig, sagt Schnattler: „Sound triggert Emotionen. Unsere Aufnahmen bringen das zum Hören, was das Bild symbolisiert.“ 1000 Sounds sind abrufbereit, 1000 in Vorbereitung.

Horst Schnattler im Tonstudio
Horst Schnattler im Tonstudio © Sophia Grabner

Vor dem Lockdown war der Vielreisende unermüdlich unterwegs, um Klänge aufzunehmen. Es zeigt sich, die Welt ist eine ziemlich laute: „Wenn man mit dem Mikrofon unterwegs ist, wird einem sehr bewusst, wie viel Lärm man als Mensch auch ertragen muss. Corona hat da sicher ein bisschen eine Verschnaufpause hineingebracht.“

Für den gebürtigen Villacher war das auch ein Glücksfall, denn nur selten schafft man es, die Natur klangtechnisch in ihrer unveränderten Form einzufangen: „Ich war im ersten Lockdown im Nationalpark Gesäuse unterwegs, und es war so ungewöhnlich, dass man mit dem Mikrofon in der Natur steht und zehn Minuten aufnehmen kann, ohne dass ein Flugzeug zu hören ist. Das war wirklich herrlich.“ Es sind vor allem Naturaufnahmen, wie etwa aus dem Salzkammergut, die stark nachgefragt sind. Der „Megaseller“ ist aber ein anderer, so der Sounddesigner: „In New York bin ich in eine ,Fridays for Future‘-Demo hineingeraten. Das war eine meiner besten Aufnahmen, die auch schon gut verkauft worden ist.“

Wenn Schnattler nicht auf Soundexpedition ist, macht er in seinem Studio auch Audio-Postproduktion für Serien oder Filme, wie im letzten Jahr für die Netflix-Produktion „All the Bright Places“ mit Elle Fanning, wo man die gesamten Kleidergeräusche – vom Wollpullover bis zur Jeans – beigesteuert hat. Schnattlers Lieblingssound ist allerdings ein anderer: „Das Gurren von Tauben“. Diesen Sound nutzt er auch für Filme: „Um das Gefühl von ,zu Hause sein‘ zu erzeugen.“