Ein Paar, eng umschlungen in der Morgendämmerung, eingehüllt in eine Decke: Den meisten Menschen genügt eine Beschreibung dieses Bildes, um es klar vor sich zu sehen. Vor 50 Jahren waren Bobbi und Nick Ercoline zwei Menschen unter rund 500.000. Mathematisch gesehen eine zu vernachlässigende Größe, doch in der Kombination mit dem Fotografen Burk Uzzle wurden sie weltberühmt – zunächst ohne es zu wissen, denn das Paar wusste gar nicht, dass es fotografiert wurde. Dass die beiden auch heute noch eine Fixgröße im kollektiven Gedächtnis sind, hat weniger mit dem Fotografen zu tun, obwohl er damals schon eine große Nummer in der Branche war, sondern mit der Erzählung, die dieses Bild auch fünf Jahrzehnte danach noch transportiert.

Bilder wie diese nennt man auch Ikonen, weil sie Stellvertreter für Ereignisse sind, die sich in Form dieser Bilder ins kollektive Gedächtnis gebrannt haben. Es ist ein erlauchter Kreis an Bildern, die sich unter diesem Dach versammeln dürfen, denn nur die wenigsten erfüllen die Parameter dafür, wie Kathrin Fahlenbrach, Professorin für Medienwissenschaft an der Universität Hamburg, erläutert: „Zu einer Medienikone gehört, dass sie nicht nur in der Presse rezipiert wird, sondern auch durch andere Bereiche der Bildkulturen wandert, wie durch Werbung, Kunst oder Alltagskultur.“

Peter Korda und sein berühmtes Bild von Che Guevara
Peter Korda und sein berühmtes Bild von Che Guevara © (c) AP (JOSE LUIS MAGANA)

Das wohl beste Beispiel ist für sie das Porträt des Revolutionärs Che Guevara, das der kubanische Fotograf Alberto Korda im März 1960 gemacht hat. Eine klassische Bildikone, die seitdem millionenfach für unterschiedlichste Zwecke reproduziert wurde. „Dieses Bild wurde gewissermaßen entleert – von einer revolutionären Ikone hin zu einer Bildformel des Rebellischen. Als solche funktioniert das Bild etwa auch auf Turnschuhen.“ Nicht viel anders verhält es sich mit dem ikonenhaften Bild der Woodstock-Veteranen Nick und Bobbi Ercoline. Erst als das Bild am Cover der offiziellen Woodstock-Platte erschien, ging es um die Welt. Seitdem ist es schon lange nicht mehr nur Symbol für Woodstock, sondern ein Narrativ für die Verlockungen der Hippiekultur generell: Friede, Freude, Grenzenlosigkeit. Eine klassische Gesetzmäßigkeit bei der Werdung zur Bildikone, so Fahlenbrach: „Die Bilder lösen sich auch vom ursprünglichen Gegenstand, sie symbolisieren nicht mehr nur ein konkretes Ereignis, sondern werden immer auch mit neuen Bedeutungen aufgeladen.“

Auch die Bilder des Mondlandung sind bis heute Bildikonen
Auch die Bilder des Mondlandung sind bis heute Bildikonen © (c) AP (Neil Armstrong)



Dass ausgerechnet die 1960er-Jahre ein Füllhorn an Bildikonen über die Welt ausgeleert haben, kommt nicht von ungefähr, so die Wissenschaftlerin, da diese Bilder nicht nur die kulturelle Umbruchsituation dieser Zeit symbolisieren würden, sondern auch viele kollektive Erinnerungen daran gekoppelt seien, die so weitergetragen werden. Dieses Weitertragen haben nicht zuletzt die Massenmedien übernommen, die zur damaligen Zeit ebenfalls eine Umbruchphase durchlaufen haben, so Kathrin Fahlenbrach: „Es war eine Zeit, in der die Bilder eine ganz neue Bedeutung bekommen haben. Es war die große Zeit der Reportagefotografie mit Magazinen wie „Life“ oder dem „Stern“. Damals hat sich der kulturelle Umbruch mit dem medialen Umbruch vermischt.“

Diese Bilder gingen um die Welt und hatten auch einen Einfluss den Vietnamkrieg: Bewohner von My Lai vor ihrer Exekution. Die US-Armee hat über 500 Zivilisten ermordet und wollte es vertuschen. Der Journalist Seymour Hersh machte den Skandal im November 1969 öffentlich
Diese Bilder gingen um die Welt und hatten auch einen Einfluss den Vietnamkrieg: Bewohner von My Lai vor ihrer Exekution. Die US-Armee hat über 500 Zivilisten ermordet und wollte es vertuschen. Der Journalist Seymour Hersh machte den Skandal im November 1969 öffentlich © Montage/Getty Images

Der Einfluss dieser Bilder war und ist nicht zu unterschätzen, so die Expertin: „Denken wir an den Vietnamkrieg, der ist ganz wesentlich auch durch die Bilder am Ende beendet worden.“ Dass sich diese Bilder auch Jahrzehnte danach noch immer hartnäckig halten, hat auch mit einer journalistischen Tradition zu tun: den Jahrestagen. In schöner Regelmäßigkeit werden so diese Bilder wieder und wieder durch das mediale Universum gejagt und bleiben präsent. Auch, weil das Interesse daran vorhanden ist, so die Expertin: „Die Erinnerung an 1968 und an diese Umbruchzeit beinhaltet bis heute offensichtlich Nachrichtenwert, sie hat immer noch etwas Gemeinschaftsbildendes.“ Woodstock ist also längst unsterblich geworden.

In der Popkultur wurde Charles Manson zum Inbegriff des Bösen
In der Popkultur wurde Charles Manson zum Inbegriff des Bösen © (c) AP (Anonymous)