In der Theorie klingt es recht einfach: Komplikationen verhindern, Verband anlegen, fertig. „In der Praxis erfordert Pflegetätigkeit aber mehr, als ein Pflaster anzubringen. Jeder Mensch ist anders, es braucht einfühlsames Vorgehen und Beobachtung, die Mimik und Gestik des Patienten interpretiert“, sagt Kathrin Radl. Die Lehrende am Studiengang für Gesundheits- und Krankenpflege spricht aus persönlicher beruflicher Erfahrung. Solche Erfahrungen zu machen, will sie auch Studierenden ermöglichen, deshalb hat Radl ein neuartiges Praktikumsmodell entwickelt. „Temporäre Lernstation“ nennt sich die Kooperation der FH mit dem Elisabethinen-Krankenhaus Klagenfurt. Dabei übernehmen Pflegestudierende für 120 Stunden eine Krankenhausstation, um dort möglichst selbstständig die Anforderungen des Jobs kennenzulernen. „Bislang hatten unsere Studierenden sehr selten die Möglichkeit, in ihren Praktika eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen. Viele Tätigkeiten, wie die postoperative Kontrolle von Vitalwerten und das Entscheiden über das weitere Vorgehen, übernimmt sonst immer das Stammpersonal“, sagt Radl. Beim Pilotdurchgang der Lernstation, der Anfang Mai zu Ende ging, war freilich erfahrenes Personal in der Aufsichtsrolle.

Kathrin Radl
Kathrin Radl © FH Kärnten/Helge Bauer

Die Rückmeldungen und Erkenntnisse aus diesem Versuch waren durchwegs positiv. „Die Studierenden berichten von einem deutlichen Lernzuwachs. Die Übernahme von Verantwortung und Organisation, die Möglichkeit, für Patienten von früh bis spät da zu sein, aber auch Aufgaben delegieren zu können, empfanden sie als bereichernd“, sagt Radl.

Aufgaben auch abgeben zu können ist laut Radl wichtig, um die Belastungen des Berufs abzufedern. Die Lernstation solle auch dazu dienen, Studierenden die Herausforderungen der Pflege vor Augen zu führen und ihnen zu zeigen, wie sie dafür Widerstandsfähigkeit aufbauen können. „Pflegekräfte scheiden oft nach nur wenigen Jahren aus dem Beruf aus“, gibt Radl zu bedenken.