Ausgangsproblem: Klimakrise als Jahrhundertaufgabe der heutigen Generationen

Der Klimawandel hat sich in der Wahrnehmung vieler zur Klimakrise ausgewachsen: zum einen wegen der sich bereits ereignenden oder absehbaren dramatischen Folgen, zum anderen wegen der bislang unzureichenden politischen Bemühungen, die globale Erwärmung einzudämmen. Entscheidungen in allen Gesellschaftsbereichen sind dringend erforderlich, um ambitionierte und verbindliche Klimaziele durch wissenschaftlich-technische und institutionelle Innovationen sowie gesellschaftliche Lernprozesse erreichen zu können. Da die bisherige Klimapolitik Stückwerk und weitgehend unwirksam geblieben ist – dafür stehen etwa der Überarbeitungsbedarf des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP) sowie die weiterhin gestiegenen Treibhausgasemissionen –, braucht es neue Ansätze der Governance. Auf dem Spiel steht das Gelingen der Jahrhundertaufgabe Klimaschutz. Die zur Verfügung stehende Zeit, so die klimawissenschaftlichen Befunde, ist knapp. Lange Versäumtes gilt es schnell nachzuholen.

Klimaschutz als staatliche und gesellschaftliche Aufgabe in verteilter Verantwortung

Klassische Aufgaben des Staates gelten der Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung nach innen und außen. Dazu gehören traditionell die Gefahrenabwehr und, seit ein paar Jahrzehnten, die Risikovorsorge. Der Stand des wissenschaftlichen Wissens zum Klimawandel ist inzwischen so weit konsolidiert, dass Konsens besteht über die wesentlichen gesellschaftlichen Treiber, die maßgeblichen Entwicklungstrends und die absehbaren Folgen für irdisches Leben (davon abgesehen gibt es freilich viele offene wissenschaftliche Fragen und Unsicherheiten). Deshalb liegt es in der politischen Verantwortung des Staates (wie der Staatengemeinschaft), Rahmenbedingungen zu setzen, die die gesellschaftliche Entwicklung in längerfristig tragfähige, nachhaltige Bahnen lenkt. Den Akteuren aus Wirtschaft – sei es Industrie, Landwirtschaft oder Handel – und Zivilgesellschaft, einschließlich der Bürgerinnen und Bürger und ihrer Haushalte, obliegt es, entsprechende substantielle Beiträge zum Klimaschutz zu leisten. Der Begriff der Governance steht für dieses Zusammenspiel staatlicher Regierungsinstitutionen (Government) mit anderen gesellschaftlichen Akteuren. Damit stellen sich auch Fragen, wie Akteure verschiedener Gesellschaftsbereiche produktiv zusammenwirken können, etwa in aufeinander abgestimmten Strategien (statt in wechselseitigen Blockaden).

Anstelle einer unkoordinierten Verantwortungsdiffusion, bei der viele Akteure zu wenig tun, bedarf es einer koordinierten Verteilung der Verantwortung für den Klimaschutz zwischen staatlichen Einrichtungen, Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Akteuren.

Klimaschutz als Regierungsprogramm – Politikintegration national und international

Die Wahrnehmung der Staatsaufgabe Klimaschutz ist vom politischen Willen der Regierungen, Ministerien, Behörden und Parlamente in Bund und Ländern abhängig. Vor allem der politische Wille der mit übergeordneten Entscheidungsbefugnissen ausgestatteten Instanzen ist in Österreich bisher größtenteils nur unzureichend ausgebildet – trotz des problemorientierten Engagements der Mitarbeitenden der verschiedenen Verwaltungsapparate. Zukünftig notwendig ist, die Fragmentierungen und Blockaden über die verschiedenen Ebenen und Bereiche politischer Institutionen hinweg zu überwinden. Des Weiteren ist erforderlich, dass Ziele des Klimaschutzes und der Bewältigung von Klimawandelfolgen in allen Politikfeldern berücksichtigt werden. Dazu gehört auch, alle politischen Entscheidungen auf den Prüfstand ihrer klimapolitischen Implikationen zu stellen und Alternativen entsprechend zu priorisieren. Dies gilt nicht nur für die Energie- und Umweltpolitik, sondern auch für die Verkehrs- und Regionalentwicklungspolitik, Land- und Forstwirtschaftspolitik, Forschungs- und Innovationspolitik, Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie Sozialpolitik. Das Anspruchsniveau, die Wirksamkeit, die intendierten wie nichtintendierten Folgen sind systematisch zu erfassen, zu bewerten und in der Folge auch anzupassen bzw. neu zu justieren. Dafür ist die Einrichtung spezialisierter Agenturen der Datensammlung und -aufbereitung, des Assessments und Monitorings empfehlenswert.

Da gesellschaftlicher Umbau auch mit Fragen der Verteilung von Kosten und Nutzen einhergeht, ist insbesondere darauf zu achten, dass die sozial Schwächeren und vor allem Schwächsten durch Klimaschutz nicht zusätzlich belastet, sondern vielmehr begünstigt werden. Um eine durch Klimaschutz motivierte Politikintegration in Österreich voranzutreiben, bietet sich an, übergreifende Formen der Politikgestaltung zu erproben und problemlösungsorientiert umzusetzen – sei es als Verfassungsziel, als Klimapakt, als Klimakabinett oder als Klimaministerium mit erweiterten Kompetenzen. Um die erfolgreiche Umsetzung der Langzeitstrategien zu gewährleisten, sollte Klimaschutz in der Weise institutionalisiert werden, dass er von wechselnden Regierungsmehrheiten in seinen wesentlichen Grundlagen nicht gefährdet wird (was freilich immer noch Raum für spezifische Akzentsetzungen lassen würde). Zu vermeiden gilt es, dass Klimaschutz als langfristiges Generationenprojekt durch tagespolitischen Meinungsstreit gefährdet wird. Umgekehrt ist die Sinnhaftigkeit klimapolitischer Maßnahmen und Maßnahmenpakete im Hinblick auf ihre zukünftige Tragfähigkeit, einschließlich Wirtschaftlichkeit, gut nachvollziehbar darzulegen.

Was die supranationale Politikintegration betrifft, kann Österreich nicht nur von der Einbindung in die Europäische Union und die Vereinten Nationen profitieren, sondern sollte hier auch Chancen nutzen, sich durch technologische und institutionelle Innovationen als Vorreiter zu profilieren. Dies erfordert freilich, einerseits von den Erfahrungen anderer Nationen zu lernen, andererseits sich in der internationalen Zusammenarbeit zu engagieren.

Klimaschutz als gesellschaftliche Transformation – Revitalisierung von Demokratie

Der Klimawandel stellt vielfältige globale wie regionale Herausforderungen, deren Bewältigung eine weitreichende gesellschaftliche Transformation bedeutet. Eine solche berührt überkommene, für die Betroffenen mitunter selbstverständliche Präferenzen, es entstehen Interessens- und Zielkonflikte. Diese verlangen Aushandlungs- und Ausgleichsprozesse, welche die Bildung verfestigter Lager tatsächlicher oder vermeintlicher Verlierer und Gewinner verhindern sollen. Demokratische Institutionen und Öffentlichkeit bieten Raum für solche Verständigungsprozesse. Ihre Ergänzung um erweiterte Möglichkeiten der Mitsprache und Beteiligung für die Zivilgesellschaft, Industrie und andere Interessensvertreter eröffnet besondere Chancen dafür, langfristig notwendige Legitimität zu sichern. Diese bildet eine kritische Ressource für Strategien und Prozesse der gesellschaftlichen Transformation – wie auch für ihre demokratische Gestaltung. Dabei könnte auch die Vitalität der aktuellen Klimaproteste wie „Fridays for Future“ zur Erprobung neuer Formen von Demokratie genutzt werden, um kreative Ideen und Initiativen zu befördern.

Daniel Barben, Jenan Irshaid, Nils Matzner, Vanessa Erat (Universität Klagenfurt), Christoph Görg, Willi Haas (Universität für Bodenkultur Wien), Projektteam RefGovCC.AT (ACRP 8)

Der Zwischenbericht des Projektes RefGovCC.AT als pdf.