Sie haben einen „Knigge Reloaded“ für die neue Arbeitswelt verfasst. Zählen hier Tugenden noch?
Saskia Eversloh: Ja, sie sind gefragter denn je. Einer Umfrage zufolge motivieren zum Beispiel Glaubwürdigkeit und Werteorientierung Mitarbeiter aller Generationen – und das weit mehr als durchdesignte Loftbüros und flexible Arbeitszeiten. Dennoch brauchen wir für neue Arbeitsformen wie mobiles Arbeiten, Homeoffice oder Großraumbüros neue Spielregeln. Hinzu kommen die digitalen Kanäle: Mails, Chats mit Text-, Video- und Audionachrichten, Video-Konferenzen – und das auf immer mehr Endgeräten. Bei dieser Informationsflut braucht es Spielregeln, wann, wer, was und wo kommuniziert und vor allem bündelt.

Ist man heute zu schnell per Du?
Seit einigen Jahren hält das „Du“ – mit Sneakern und Ablegen der Krawatten, Einzug in die Vorstandsetagen. Auch in konservativeren Branchen. Ich empfinde ein verordnetes Unternehmens-Du aber eher als künstlich. Oft stammt das Geduze eher aus der Werbung oder dem Employer Branding, um sich ein jugendliches Image gegenüber dem Nachwuchs zu geben – was aber noch lange nicht heißt, dass die Atmosphäre im Unternehmen dem entspricht. Genauso ist es mit der scheinbaren Vertrautheit in den sozialen Medien. Die ja oft alles andere als sozial sind. Da wird eine künstliche Vertrautheit geschaffen.

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Es gibt viele Definitionen von New Work. Wie lautet Ihre?
New Work ist zum Modewort für alles und nichts geworden. Meist werden damit Designerbüros à la Google und arbeiten, wann und wo man will assoziiert. Auch viele Zuckerln wie der Kickertisch oder – im Zuge des Gesundheitsmanagements – Elektrofahrräder und bestenfalls Biokantine. Ich denke, Köpfe und Talente sind der wichtigste Wettbewerbsfaktor in einer globalisierten Wissensgesellschaft. Nur, wenn wir machen, was wir wirklich wollen, sind wir auch motiviert und gut darin. Dieser Ansatz geht auf Frithjof Bergmann, den Urvater von New Work zurück. Wie sehen die Vor- und Nachteile der neuen Arbeitswelt aus?
New Work ist ja nicht nur der sozialphilosophische Ansatz von Bergmann – eine Arbeitswelt, in der Menschen ihren Neigungen nachgehen und ihr Potenzial entfalten. New Work ist auch eine durch Digitalisierung und globalen Wettbewerb beschleunigte Hochleistungsgesellschaft. Und arbeiten wann und wo man will, heißt ja auch, eine Entgrenzung von Beruf und Privatem. Das ist für viele eine Überforderung. Davon abgesehen ist die schöne neue Arbeitswelt ja auch seit den 2000er Jahren durch Prekarisierung geprägt: Kettenbefristungen, Zeit- und Leiharbeit sind großzügig legalisiert worden.