Herr Egger, Eltern spielen ja durchaus eine entscheidende Rolle im Bildungsweg ihrer Kinder. Haben Sie sich selbst für eine Lehre entschieden oder haben Ihnen Ihre Eltern, dazu geraten?
Christoph Egger: Meine Mutter war alleinerziehend und sagen wir es einmal so – sie hatte eine sehr klare Vorstellung. Sie ist sehr resolut und hart im Nehmen. Sie hat selbst eine Lehre zur Einzelhandelskauffrau gemacht und war Verkäuferin in einem Sportgeschäft. Wir waren damals finanziell auch nicht so üppig aufgestellt. Das bedeutet, dass eine weiterführende Schule gar nicht möglich gewesen wäre. Deswegen war klar, dass ich eine Lehre machen muss.

Christoph Egger in seiner Lehrzeit

Es hat sich zwar schon vieles zum Positiven verändert, doch die Lehre kämpft immer noch mit ihrem Image. Was haben Sie in Ihren Lehrjahren fürs Leben gelernt?
Ich habe aus dieser Zeit wahnsinnig viel für mein späteres Tun mitgenommen. Ich hatte strenge Chefs, die sehr agil und fleißig waren und die eine sehr klare Meinung davon hatten wie man ein Geschäft führt. Ich habe hier sicher einmal Disziplin gelernt. Und, dass auf einen Verlass sein muss. Als Lehrling ist man ja vor Partys nicht gefeit. Es war immer ganz klar, dass man am nächsten Tag – auch nach einer durchzechten Nacht – im Geschäft steht. Auch, wenn es einem noch so dreckig geht. Ich habe hier sicher diesen Arbeitsalltag und die Disziplin, die im späteren Arbeitsleben verlangt wird, mitgenommen. Weil es eben notwendig ist, dass man, wenn um acht Uhr das Geschäft aufsperrt, nicht um acht Uhr da ist, sondern um 15 Minuten vor acht. Das war ganz normal. Sie haben nach Ihrem Lehrabschluss die Matura nachgeholt und BWL studiert. Sie kennen also alle Seiten. Was würde es brauchen, um die Lehre attraktiver zu gestalten?
Ich finde ja, dass die Lehre schon einen anderen Stellenwert bekommen hat. Besonders gut finde ich die Lösung Lehre und Matura zu kombinieren. Das ist eine totale Aufwertung der Lehre. Ich habe nach der Lehre maturiert – mit der Brechstange innerhalb von zwei Jahren. Ich habe Tag und Nacht gelernt. Aber ich habe mir damit Freiheit und Zugang zu neuen Lebensformen verschafft. Ich hätte alles studieren können, was ich wollte. Und diese Freiheit kann einem niemand mehr nehmen. Jeder, der eine Lehre macht, davon bin ich hundertprozentig überzeugt, hat einen Vorteil gegenüber vielen anderen. Ganz, ganz sicher, weil sie einen anderen Zugang haben. Inwiefern?
Ein Lehrling macht im Gegensatz zu jemanden, der studiert hat, einfach. Lehrlinge sind Macher. Und wenn man dieses Machertum der Lehre noch mit einer Matura verbinden kann und mit dieser Freiheit einen einfachen Zugang zu Wissen, haben zu können – dann glaube ich, dass es automatisch eine extreme Aufwertung von der Lehre wäre. Was war ausschlaggebend für die anschließende Matura?
Nach dem Lehrabschluss war ich noch ein Jahr bei dem Sportgeschäft, aber ich wollte aus dem Zillertal raus. Ich habe zu meinen Freunden gesagt: Ich hau jetzt ab und mache ganz etwas anderes. Mit 19 Jahren bin ich dann nach Innsbruck und habe in einer Buchhandlung als Verkäufer gearbeitet. Plötzlich habe ich Bücher verkauft! Im Rückblick betrachtet, wundere ich mich selbst, weil ich alles aus eigenem Antrieb gemacht habe. In dieser Buchhandlung habe ich auch viele Intellektuelle getroffen. Alle hatten studiert und Matura. Zu dieser Zeit bin ich jeden Tag an einem Schild vorbeigegangen „Maturaschule Academia“. Und nach einem halben Jahr bin ich endlich hineingegangen. Ich habe damals für mich einfach gefühlt und gewusst: Ich muss das machen, das gibt mir Freiheit. Sie hatten in Ihren Jugendjahren eine überschaubare Auswahl. Jugendliche können heute aus einer Vielzahl an Optionen auswählen. Sie sind selbst zweifacher Vater – mischen Sie auch mit bei der Entscheidung Ihrer Kinder?
Nein, das waren damals ganz andere Zeiten. Man muss sich vorstellen, dass man damals entscheiden konnte, ob man zur Hauptschule wechselt oder in der Volksschule bleibt. Auf alle Fälle ist es gut, dass junge Menschen heutzutage so viele Möglichkeiten haben. Das sehe ich auch bei meinen Kindern.

Für welchen Weg haben sie sich entschieden?
Der Ältere ist 19 Jahre und sagt: Ich möchte jetzt einmal nicht studieren, sondern lieber arbeiten. Er hat eine gute Ausbildung und ich bin sehr froh, dass er arbeitet. Zurzeit ist er bei mir in der Firma und extrem eingespannt. Es taugt ihm extrem, er ist auch bei Neuentwicklungen dabei. Wir müssen die Brille ja ständig weiterentwickeln. Er ist sich auch für nichts zu schade – das ist mir wichtig. Mein jüngerer Sohn ist 16 und besucht eine Wirtschaftsingenieurs-HTL, wo sie zum Beispiel Apps programmieren. Für ihn ist das die ideale Schule.

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Sie haben schon während des Studiums an verschiedenen Projekten gearbeitet – zum Beispiel an einer Handyhalterung, danach kam Gloryfy. Glauben Sie, dass Sie sich aufgrund Ihrer Lehre beim Gründen leichter getan haben?
Absolut. Man hat einen anderen Zugang. Man weiß auch, dass etwas nicht sofort funktioniert und dass man manchmal vielleicht einen ein bisschen längeren Atem braucht. Deswegen bin ich auch überzeugt, dass die Lehre etwas Gutes und Hilfreiches ist. Alles, was man an Berufserfahrungen in jungen Jahren mit auf den Weg nimmt, hilft.