Werden wir „härter“ oder „weicher“ in einer Gesellschaft, in der die Berührung fehlt?
Unzählige Nachbarschaftshilfen und berührende Initiativen der Solidarität (support your locals) entstanden in der Krise – und zwar im Netz. Sie werden sich nachher auch auf die analogen Räume hin ausdehnen. Ich bin optimistisch, dass eine solidarische Netzwerk-Gesellschaft aus der Krise hervorgeht. Empathie und Kreativität sind die Tugenden für morgen.

Vor der Krise lag die Arbeit in Co-Working-Flächen im Trend. Wird man nun wieder auf Distanz zueinander gehen?
Ich glaube, im Mix zwischen analog und digital liegt die Zukunft, also im „Blended Working“. Je nach Situation rückt mal das eine, mal das andere in den Vordergrund. Das Konzept der Co-Working-Räume halte ich mittelfristig für robust – es entspricht den Bedürfnissen der Menschen, Dinge und Ressourcen nach Bedarf zu nutzen. Der Zugang zählt, künftig mehr denn je.

Werden sich nun viele, sei es nun frei- oder unfreiwillig, im Job neu orientieren? Stichwort Traumjob?
Zunächst kommt das Tal der Tränen. Wir steuern auf eine massive Wirtschaftskrise zu, mit wirtschaftlichen Verwerfungen, hoher Arbeitslosigkeit, riesigen Staatsschulden – und das weltweit. Da bleibt das Thema Selbstverwirklichung wohl nur für ausgewählte Gruppen und spezielle Branchen – vor allem im IT-Sektor – reserviert.
Welchen Einfluss wird diese Zeit auf unsere Art, zu kommunizieren, haben. Wird es noch Dienstreisen geben? Oder setzt man mehr auf Videokonferenzen?
Corona beschleunigt die digitale Transformation in einem Tempo, wie es sonst nicht möglich gewesen wäre. Nach einer ersten digitalen Sturm- und Drang-Phase wird man sich aber sehr wohl wieder der analogen Qualitäten bewusst sein. Geschäftsreisen und reale Begegnungen werden künftig genauso zum beruflichen Alltag gehören wie Videokonferenzen. Man wird das alles viel bewusster und ressourcenorientierter angehen, mal passt das eine besser, mal das andere.

Wird das Image jener Jobs, die derzeit im Rampenlicht stehen – Pflegepersonal, Verkäufer in Supermärkten – langfristig profitieren oder sind sie nur die vorübergehenden Helden dieser Zeit?
In der Krise hat die Gesellschaft so einige gewohnte Vorstellungen korrigieren müssen, also wer denn nun wirklich „systemrelevant“ ist, wer das System am Laufen hält. Und das sind in der Regel Frauen, und das oft schlecht bezahlt. Ich glaube, hier kommt es nach der Krise zu Korrekturen – ganz unten im Niedriglohnbereich genauso wie ganz oben, etwa bei den Fußball-Millionären in den europäischen Ligen.