Forscher haben den ersten fossilen Pflanzengummi entdeckt. Sie wiesen das bernsteinartige Material in 110 Millionen Jahre alten fossile Blättern nach, berichten sie im Fachjournal "Scientific Reports". "Wir dachten nicht, dass Pflanzengummi so lange überdauern kann", sagte die an der Studie beteiligte Spezialistin für fossile Pflanzen, Leyla Seyfullah, von der Universität Wien zur APA.

Viele Pflanzen, etwa Nadelbäume, scheiden Harz ab, um Verletzungen zu verschließen bzw. Schadinsekten abzuwehren. Es gibt aber auch Pflanzen, die Gummi absondern, etwa bestimmte Akazien-Bäume (Gummiarabikumbaum). Noch ist nicht völlig klar, warum. Denn diese Substanzen sind wasserlöslich, eignen sich also nur bedingt zum Wundverschluss. Zudem sind sie - im Gegensatz zu Harz - auch nicht giftig für viele Insekten und Mikroben. Deshalb werden sie zur Stabilisierung von Lebensmitteln eingesetzt, wie etwa Gummiarabikum oder Guarkernmehl. Man weiß aber, dass die Gummis bei der Speicherung von Nährstoffen involviert sind und der Pflanze strukturellen Halt geben.

Emily Roberts von der Universität Portsmouth (Großbritannien) hat im Zuge ihrer Doktorarbeit fossile Blätter untersucht, die aus der für die reichen Fossilfunde bekannten "Crato-Formation" im Nordosten Brasiliens stammen. "Weil sie nicht sicher war, von welcher Pflanze die Blätter stammten, wollte sie die dünnen, in die Blätter eingeschlossenen bernsteinfarbenen Bänder chemisch untersuchen", erklärte Seyfullah. Denn oft ist es hilfreich für die Bestimmung von Pflanzenresten, die chemische Zusammensetzung des darin enthaltenen Bernsteins zu kennen.

Doch das Ergebnis der Untersuchung mittels Infrarot-Spektroskopie lieferte zur Überraschung der Forscherin kein bekanntes Bernstein-Spektrum. "Emily dachte zunächst, sie habe etwas falsch gemacht, oder die Proben seien verunreinigt", sagte Seyfullah. Weil die fossilen Blätter jenen der Welwitschia-Pflanze ähneln, verglich sie die Analyseergebnisse mit jenen heutiger Pflanzengummis. Denn die 1859 vom österreichischen Arzt und Botaniker Friedrich Welwitsch entdeckte, nur in der Wüste Namib vorkommende Pflanze sondert ebenfalls Gummi ab.

Im Vergleich zeigte sich eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen den vermeintlichen Bernstein-Proben aus den fossilen Blättern und heutigem Pflanzengummi. Verblüffend deshalb, weil man bisher dachte, dass wasserlösliche Pflanzengummis nicht den komplexen Fossilisationsprozess überstehen können. Die britische Wissenschafterin kontaktierte darauf hin Seyfullah, eine ausgewiesene Bernstein-Spezialistin. Sie untersuchte die Proben in Wien und es zeigte sich, "dass Emiliy völlig recht hatte. Wir können keinen Unterschied zwischen modernem und fossilem Pflanzengummi feststellen".

Öfter falsch interpretiert?

Es handelt sich bei den Einschlüssen also um fossilen Pflanzengummi. "Da dieser so wie Bernstein aussieht, ist davon auszugehen, dass es viele andere bernsteinfarbene Substanzen in fossilen Pflanzen geben könnte, die bisher falsch interpretiert wurden - wir müssen das nun überprüfen. Bisher haben wir angenommen, dass alle gelben, orangen oder braunen Einschlüsse in einem Pflanzenfossil Bernstein sind", sagte Seyfullah.

Wie der wasserlösliche Gummi so lange überdauern konnte, ist noch unklar. Seyfullah kann sich die sehr speziellen Fossilisationsbedingungen in der "Crato-Formation" als Grund vorstellen. Möglicherweise hat es auch mit der Dicke der Blätter zu tun, die den Gummi vor eindringendem Wasser geschützt haben.