Ähnlich wie in menschlichen Gesellschaften sind auch bei Affen dominante Individuen die "Trendsetter". Von ihnen lernen die Tiere neues Wissen, zeigt eine Studie der Universität Lausanne.

Grüne Meerkatzen erwerben neue Fähigkeiten, indem sie sie Artgenossen ihrer Gruppe abschauen. Dieses "soziale Lernen" ist auch bei anderen Affenarten, beispielsweise Schimpansen, bekannt und gilt als Voraussetzung von Kultur. Forschende um Erica van de Waal, SNF-Assistenzprofessorin an der Universität Lausanne, haben untersucht, wer die bevorzugten Vorbilder unter den Südlichen Grünmeerkatzen (Chlorocebus pygerythrus) sind. Von ihren Ergebnissen berichteten sie in "Nature Communications".

Charlotte Canteloup aus dem Team von Erica van de Waal führte dafür ein Experiment an zwei Affengruppen durch. Im Einzelnen bestand das Experiment darin, acht identische Kisten (die auf zwei verschiedene Arten geöffnet werden konnten, entweder durch Anheben des Deckels oder durch Öffnen der Schublade) früh am Morgen an den Ruheplatz der Affen zu stellen. Diese konnten sich nach dem Aufwachen völlig frei nähern und am Experiment teilnehmen.

Die Kisten, die sie noch nie zuvor gesehen hatten, enthielten jeweils eine Apfelscheibe, ein begehrter Leckerbissen in der winterlichen Trockenzeit. Canteloup beobachtete, welchem Affen es zuerst gelang, die Frucht zu ergattern, dank welcher Technik und von wem diese beobachtet wurde.

In den beiden Gruppen, die die Biologin untersuchte, erwiesen sich die Innovatoren als dominante Affen, unabhängig vom Geschlecht: in der einen Gruppe ein Weibchen und in der anderen ein Männchen. Da dominante Individuen oft diejenigen sind, die die Ressourcen monopolisieren, boten die Forschenden den Affen in wiederholten Versuchen gleichzeitig mehrere Boxen an, um zu verhindern, dass ein einziges dominantes Tier die anderen daran hinderte, sich zu beteiligen.

In Zusammenarbeit mit William Hoppitt von der britischen Universität Leeds analysierte das Team anschließend die Daten mit einer statistischen Modellierungsmethode namens "Network-based Diffusion Analysis". Mit diesem Verfahren konnte das dynamische Affenbeobachtungsnetz computergestützt nachgebildet werden, also "wer beobachtete, wer was tat". Es zeigte sich, dass die Affen durch Beobachtung gut voneinander lernten, wie die Aufgabe zu lösen war.

Die Methode erlaubte aber auch, verschiedene Annahmen über bevorzugte Vorbilder für neues Wissen zu testen, also ob die Primaten eher von Familienmitgliedern, Weibchen, älteren oder sozial mächtigeren Individuen lernten. Für diese Affenart sei eine solche Analyse nie zuvor gelungen, kommentierte Canteloup laut der Mitteilung.  Demnach kopieren die Affen ihre Anführer, unabhängig von Verwandtschaft, Geschlecht oder Alter. "Der dominierende Faktor für das Nachahmen ist der hierarchische Rang", so Canteloup. Individuen mit niedrigerem sozialen Rang lernten somit die Öffnungstechniken für die Kisten von Individuen mit höherem sozialen Rang.

Die Studienautoren stellten jedoch auch fest, dass die dominanten Affen nicht intensiver beobachtet wurden als hierarchisch untergeordnete Individuen. Offenbar maßen die Tiere also dem beobachteten Verhalten von Artgenossen von hohem sozialen Rang mehr Bedeutung bei. Auch in menschlichen Gesellschaften spielen Meinungsführer und Entscheidungsträger eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung von Gepflogenheiten. Die neuen Befunde bei Affen legen nahe, dass dieser Umstand seine Wurzeln in der Evolution der Primaten haben könnte.