"Sputnik V": So lautet der Name des ersten Impfstoffes gegen das Coronavirus, dessen Zulassung in Russland Präsident Wladimir Putin am Dienstag bekanntgegeben hat. Russland ist damit das erste Land der Welt, das nach eigenen Angaben einen wirksamen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 entwickelt hat. Die Impfung sei in der Früh zugelassen worden, sagte Putin während einer im TV übertragenen Videokonferenz.

"Ich weiß, dass sie wirksam ist, dass sie dauerhafte Immunität gibt", fügte Putin hinzu. Die Bevölkerung soll bereits ab Jänner mit dem neuen Stoff geimpft werden, wie russische Agenturen unter Berufung auf das Arzneimittelregister des Gesundheitsministeriums berichteten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) reagierte jedoch zurückhaltend auf die Ankündigung. Sie kündigte an, alle Daten über die "Sicherheit und Wirksamkeit" des russischen Impfstoffs genau zu überprüfen, bevor sie ihr grünes Licht geben werde.

Laut Fondschef Kirill Dmitrijew soll am Mittwoch die dritte und letzte klinische Testphase für "Sputnik V" (V für Virus) beginnen. Die industrielle Produktion soll demnach im September starten. Dmitrijew zufolge gibt es bereits Vorbestellungen von 20 Ländern in einem Umfang von "mehr als einer Milliarde Dosen".

Bei "Sputnik V" handelt es um einen Impfstoff, der am Gamaleja-Institut für Epidemiologie in Moskau gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium entwickelt wurde. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Vektor-Impfstoff - das bedeutet, er stützt sich auf ein für den Menschen ungefährliches Virus, das dann so verändert wird, dass es eine Infektion mit dem Coronavirus verhindert. Als Vektorvirus genutzt wird das Adenovirus, mit dem auch die Universität von Oxford arbeitet.

Bei DNA- oder RNA-Vakzinen werden Erbsubstanzteile der Erreger mittels Genvektoren per Impfung verabreicht. Sie sorgen dafür, dass im Körper des Immunisierten jene Antigene produziert werden, gegen die das Immunsystem schließlich eine Abwehrreaktion aufbaut. Das soll gegen natürliche Infektionen schützen.

Die andere, erste Variante wären eben Vektoren von sonst ungefährlichen Viren, auf welche Antigene von SARS-CoV-2 "aufgepfropft" werden, um eine Immunantwort zu erzeugen. Kandidatvakzine nach diesem Prinzip aus China mit humanen Adenoviren als Ausgangspunkt hatten bisher das Problem, dass die Vektoren bei Probanden selbst eine Immunantwort gegen sich verursachen, was eben den Impfeffekt reduziert. Die in Oxford entwickelte und bereits in Phase-III der klinischen Tests befindliche Vakzine (AstraZeneca) verwendet Virusvehikel, die auf Schimpansen-Adenoviren beruhen.

"Unser Impfstoff basiert auf zwei sogenannten Vektoren, modifizierten Viren, die das Genmaterial des Coronavirus in die menschliche Zelle bringen. In diesem Fall sind das Adenoviren, die eine sehr leichte Form der Grippe auslösen. Sehr vereinfacht ausgedrückt, funktionieren die Vektoren wie ein Zug, der Genmaterial des Coronavirus-Stachels (Spike- oder S-Protein an der Virusoberfläche, mit dem das Virus an Zellen andockt; Anm.) in die Zelle transportiert. Der Körper fängt dann an, diesen Stachel zu bekämpfen, und bildet Antikörper", wurde der Chef des russischen Staatsfonds, Kirill Dmitrijew, vor wenigen Tagen in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in einem Interview zitiert. Aus dem Zitat geht nicht eindeutig hervor, auf welcher Basis die Vakzine funktionieren soll.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sorgt die zweimalige Impfung mit dem Stoff für eine "lange Immunität". Diese könnte demnach bis zu zwei Jahre anhalten. Die für Gesundheitsfragen zuständige Vize-Regierungschefin Tatjana Golikowa hofft nach eigenen Angaben, bereits in den kommenden Wochen mit der Impfung des medizinischen Personals beginnen zu können. Lehrer sollen ebenfalls zum ersten Personenkreis zählen, der geimpft wird.

Putin berichtete, dass sich auch eine seiner Töchter im Rahmen der Tests mit dem neuen Stoff habe impfen lassen. Sie habe eine leicht erhöhte Temperatur entwickelt, "das war alles", sagte er. Am wichtigsten sei es aber, dass "wir in der Zukunft die völlige Sicherheit der Impfung garantieren können", fügte der Kremlchef hinzu.

Russland hatte bereits Anfang August angekündigt, ab September mit der Massenproduktion eines Impfstoffes zu starten. Ausländische Experten äußerten schon vorher ihre Besorgnis über die Geschwindigkeit, mit der das Land einen eigenen Impfstoff entwickelt.

Derzeit arbeiten weltweit Labore fieberhaft an der Entwicklung eines Corona-Impfstoffes. Insgesamt sechs von westlichen Firmen und von China entwickelte Impfstoffe befinden sich bereits in der dritten und letzten Phase der klinischen Tests. Am Dienstag starteten in Indonesien Tests mit dem Impfstoff CoronaVac des chinesischen Unternehmens Sinovac Biotech. Er wird bereits in Brasilien an 9.000 Ärzten, Pflegern und Krankenschwestern getestet.