Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) haben am Freitag eine Informationskampagne präsentiert, um die Bevölkerung über das neuartige Coronavirus aufzuklären. Vorgestellt wurde auch eine Task Force, die im Gesundheitsministerium einen medizinischen Beirat rund um SARS-CoV-2 bildet. "Wir ziehen die Kompetenzen in Österreich zusammen", betonte Anschober.

"Die aktuelle Entwicklung des Virus in Europa ist dynamisch", sagte Nehammer. Bei der Informationskampagne geht es darum, "die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen". Auch sollen offene Fragen beantwortet werden. Mit Symptomen, die potenziell auf eine Infektion hindeuten, soll man für medizinische Auskünfte die Telefonnummer 1450 wählen, mit Fragen und Sorgen allgemein die Hotline unter 0800 555 621. Der Innenminister verwies zugleich auf Kooperationen mit den österreichischen Medien, "um möglichst breit zu informieren", sowie die enge Abstimmung mit Nachbarstaaten. Der Zweck aller Maßnahmen sei: "Das Virus so gut als möglich einzudämmen."

Dass mittlerweile international rund 36.300 Menschen als vom Coronavirus geheilt gelten, sei eine der erfreulichen Nachrichten, sagte Anschober. Auch die Entwicklung in China lasse den Schluss zu, dass die dort gesetzten strengen Maßnahmen durchaus erfolgreich seien. Doch der anhaltend starke Anstieg der Fälle in Italien sowie die Lage in Deutschland seien "durchaus besorgniserregend". "Die Herausforderung für die nächsten Monate ist groß, auch in Österreich werden die Zahlen zunehmen", betonte der Gesundheitsminister. Mit einer Strategie der Eingrenzung versuche man, die Ausbreitung zu minimieren und vor allem "Zeit zu gewinnen".

Rund 1.000 Coronavirus-Tests können jeden Tag in Österreich durchgeführt werden. Die Gesamtzahl der Außentests - also dass medizinisches Personal zu Betroffenen nach Hause kommt und dort Abstriche vornimmt - soll ausgeweitet werden. Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, ist externer Sonderberater der Task Force im Gesundheitsministerium. "Aufsuchende Testteams ermöglichen es, dass Verdachtsfälle zu Hause bleiben können", betonte er. Mitglied des Beirats ist auch der Rektor der MedUni Wien, Markus Müller, sowie acht weitere Experten. Jeder einzelne könne mithelfen und sich an relativ einfache Maßnahmen wie etwa Händewaschen halten, sagte Foitik.

Anschober kündigte zwei Erlässe und drei Verordnungen an, damit zentrale Vorgaben rechtsverbindlich in allen Bundesländern umgesetzt werden. So soll es einen Erlass mit genauen Ablaufplänen für einen Verdachtsfall geben, "wir wollen keine Widersprüchlichkeiten zwischen Burgenland und Vorarlberg", sagte der Gesundheitsminister. Der zweite Erlass soll sich "um die Frage der Definition der Kontaktpersonen drehen", kündigte Anschober an. "Welche Form von Nähe ist entscheidend dafür, was für Maßnahmen zu treffen sind." Mit diesen Regelungen soll geklärt werden, "dass wir bei möglicherweise späteren Fällen rechtskonform handeln können", betonte der Gesundheitsminister.

Testergebnissse von Kindern noch ausständig

In Wien sind bisher drei Personen positiv getestet worden. Es handelt sich dabei um einen 72-jährigen Mann - der schwer erkrankt ist - und ein Paar, das in Italien auf Urlaub war. Die Kinder des leichter erkrankten Paares wurden ebenfalls bereits untersucht, das Ergebnis liegt noch nicht vor, wurde heute berichtet. Auch rund 90 Mitarbeiter der Rudolfstifung, in denen der ältere Patient stationär aufgenommen war, werden getestet. Auch hier gibt es noch keine Resultate. Die Personen befinden sich in Heimabsonderung.

Jene 90 Mitarbeiter aus dem Gemeindespital Rudolfstiftung, die mit dem ersten Wiener Coronaviruspatienten in Kontakt waren, sind nicht infiziert worden. Die Tests seien negativ verlaufen, teilte ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) der APA am Freitag mit. Untersucht wurde jenes Personal, das in der Rudolfstiftung persönlich mit dem Betroffenen Kontakt hatte. Der 72-Jährige war dort als Grippepatient. Erst nach zehn Tagen stationärem Aufenthalt ergab ein routinemäßiger Test, dass er mit dem Virus infiziert ist. Über die Art der Ansteckung wird noch gerätselt. Der Patient war zuvor nicht im Ausland. Nun wird der "Patient Null" gesucht, also jene Person, bei der er sich in Österreich angesteckt hat.

"Wir müssen jetzt versuchen, Ansteckungen kleinräumig so rasch wie möglich zu unterbinden", sagte Hacker. Einmal mehr wurde heute betont, dass 80 Prozent der Betroffenen nur milde Symptome aufweisen. Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres versicherte: "Glücklicherweise ist die Mehrzahl der Infizierten nur leicht erkrankt."

"Wir rechnen mit weiter steigenden Zahlen", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag bei einem Pressebriefing. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) betonte aber: "Wir sind auf einem guten Weg." Zuvor fand im Bundeskanzleramt ein Treffen mit den Landeshauptleuten, Experten des Gesundheits- und Innenministeriums statt. Die Kapazitäten in den Bundesländern sollen bestmöglich gesteigert werden, sagte Kurz. Insgesamt 1.000 Testungen pro Tag seien möglich.

Erlass am heutigen Freitag

Anschober kündigte Verordnungen und Erlässe an, damit Verdachtsfälle österreichweit einheitlich behandelt werden. Diese sollen am heutigen Freitag per Erlass in Kraft treten und umfassen die Bereiche Kindergarten, Schule, Betriebe, Verkehrsnutzung und das Verhalten im Privatbereich. Der Minister nannte als Beispiel das Vorgehen, wenn ein Verdachtsfall in einer Schule auftritt. Hier werde künftig die Testung an Ort und Stelle stattfinden. Sämtliche Personen müssten bis zum Vorliegen des Ergebnisses im Gebäude bleiben. Liegt tatsächlich eine Infizierung vor, werde über das weitere Vorgehen entschieden.

Erst in den nächsten Wochen werde sich entscheiden, "ob die Welt eine globale Pandemie erfahren wird", sagte Anschober. Österreich versuche jedenfalls "möglichst konsequent zu handeln um die Ausbreitung einzudämmen", betonte Kurz. Der Kanzler wies darauf hin, dass die "Mitwirkung der Bevölkerung ganz wesentlich" sei. Jeder einzelne könne einen Beitrag leisten und etwa Reisewarnungen "ernst nehmen".

50 Proben in Tirol negativ

Bereits am Dienstag wurden zwei Fälle in Tirol bestätigt. Da das infizierte Paar aus Italien am Samstag noch mit der Innsbrucker Nordketten- und der Hungerburgbahn gefahren war, informiert nun die zuständige Behörde 63 mögliche Kontaktpersonen. Diese erhalten umfassende Hygiene- und Sicherheitsinformationen, teilte das Land mit. In Tirol scheint sich die Lage vorerst zu entspannen. Insgesamt rund 50 Proben wurden im Laufe des Donnerstags untersucht - alle sind negativ.

Das Coronavirus führt nun auch zu Lieferengpässen in heimischen Apotheken. Waren Atemschutzmasken bereits seit längerem nur sporadisch erhältlich, so sind seit wenigen Tagen auch Desinfektionsmittel in Form von Fertigprodukten in vielen heimischen Apotheken nicht mehr verfügbar. Abhilfe verschaffen von Apothekern selbst gefertigte Desinfektionsmittel aus hochprozentigem Alkohol.

Slowakei will Grenzen nach Österreich kontrollieren

Angesichts der rasanten globalen Ausbreitung des Coronavirus verschärfen zahlreiche Länder ihre Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung. Die Slowakei will Autos aus Österreich wegen des neuen Coronavirus kontrollieren. Das kündigte der slowakische Ministerpräsident Peter Pellegrini nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats am Donnerstag an. Die Maßnahme solle am Freitag oder spätestens Samstag beginnen, meldeten die slowakische und die tschechische Nachrichtenagenturen TASR und CTK.

Die burgenländische Polizei konnte die Maßnahme vorerst nicht bestätigen. Pellegrini sagte: "Es wird Kontrollen aller Autos geben, die in die Slowakei kommen," Der Verkehr würde verlangsamt und die Reisenden von den Grenzbeamten nach Gesundheitsproblemen gefragt. Ab Freitag würden auch alle Passagiere auf den internationalen Flughäfen medizinisch untersucht. Flugpassagieren werde die Temperatur gemessen. Österreich wendet solche Maßnahmen vorerst nicht an, hieß es dazu aus dem Gesundheits- und dem Innenministerium zur APA.

Hohe Ausbreitungsgeschwindigkeit

Das Robert-Koch-Institut warnte, das Virus lasse sich sehr leicht übertragen, die Ausbreitungsgeschwindigkeit sei hoch. "Darum müssen wir alles versuchen, das einzudämmen", forderte Institutsleiter Lothar Wieler. "Es gebe weder einen Impfstoff noch wisse man bisher, welche Therapeutika helfen. Die Rate an Verstorbenen sei höher als bei der Grippe. "Eine erneute Infektion ist, wie bei normalen Erkältungen, nicht auszuschließen, aber der Verlauf dürfte deutlich milder ausfallen", betonte Ronald Dijkman, Professor am Institut für Infektionskrankheiten an der Universität Bern. Der Körper sei besser auf die Infektion vorbereitet.

Mehr Neuerkrankungen weltweit als in China

Erstmals übertraf die Zahl der Neuerkrankungen, die binnen 24 Stunden rund um die Welt hinzukamen, die Zahl derer, die aus China gemeldet wurden. Die Volksrepublik, wo das neuartige Virus erstmals Ende Dezember auftauchte, ist aber weiter mit Abstand am stärksten betroffen. Mehr als 78.500 Fälle wurden dort gezählt, 2.746 Menschen starben. Darüber hinaus hat sich die Krankheit auf 44 weitere Länder ausgebreitet. Mehr als 3.200 Menschen wurden außerhalb Chinas positiv getestet, mehr als 50 starben.

Zuletzt griff das Virus, das Lungenentzündungen verursachen kann, auch in Europa immer stärker um sich, besonders in Italien, wo die Infektionszahl auf 650 stieg und mittlerweile 17 Menschen gestorben sind. In Südamerika ist das Virus ebenfalls angekommen, Brasilien meldete am Mittwoch die erste Infektion. Die meisten Toten außerhalb Chinas gibt es im Iran mit 26. Die meisten Infektionsfälle nach China zählt Südkorea. Binnen eines Tages schnellte die Zahl um 334 auf 1.595 in die Höhe. Gemeinsame Militärmanöver mit den USA wurden vorsorglich verschoben. In Japan, wo mehr als 190 Menschen erkrankt sind, sollen die Schulen im März geschlossen bleiben.

Die Krise schlägt auch voll auf die Finanzmärkte durch. Nach wochenlangen Höhenflügen stecken sie seit sechs Handelstagen tief im roten Bereich. Mehr als 3,6 Billionen Dollar an Börsenwert wurde vernichtet. Befürchtet werden schwere Folgen für die Konjunktur in zahlreichen Ländern.