Der Puch 500 legte Herrn und  Frau Österreicher ab 1957 die Welt zu Füßen.
Der Puch 500 legte Herrn und Frau Österreicher ab 1957 die Welt zu Füßen. © Oliver Wolf Foto GmbH
Der Zweizylinder-Boxermotor unter der Heckklappe war ein Gustostückerl aus Graz
Der Zweizylinder-Boxermotor unter der Heckklappe war ein Gustostückerl aus Graz © Oliver Wolf Foto GmbH

Komm ein bisschen mit nach Italien“, lockten Caterina Valente und Peter Alexander. Vico Torriani schwärmte von der „Ananas aus Caracas“, Lolita beschwor den „Weißen Mond von Maratonga“, Bill Ramsey brachte „Souvenirs, Souvenirs“ aus dem Urlaub mit und Helmut Qualtinger hatte als „Wilder mit seiner Maschin’“ zwar keine Ahnung, wo er hinfährt, aber dafür war er gschwinder dort. Die Stars der 1950er schürten die Sehnsüchte der Daheimgebliebenen, die verliebt waren in die Vorstellungen von der Ferne, die über Kinoleinwände flackerten und als Momentaufnahmen in Magazinen abgedruckt waren. Die Welt, sie stand nach dem Zweiten Weltkrieg noch, und jetzt wollten Herr und Frau Österreicher sie auch sehen. Andrichsfurt, Breitenfurt, Ebenfurth, Klagenfurt – egal, Hauptsache, furt.
Wer nicht den „Bundesbahnblues“ sang, schwang sich aufs Waffenrad, sattelte die „Stangelpuch“ MS 50 oder den Roller „Grüner Heinrich“. Kaum einer verband mit diesen Namen nicht die ersten Meter selbstbestimmter Mobilität made by Steyr-Daimler-Puch in Thondorf bei Graz.
Mitte der 1950er verdichteten sich die Gerüchte, dass die Steirer an einem kleinen Wirtschaftswunderwagen für den Heimatmarkt arbeiteten. Nur die Fertigung der Karosserien verhagelte den Buchhaltern die Bilanz, also nutzte man die guten Kontakte zu Fiat, um die Konstruktion in das Kugelrund des 500ers einzukleiden. Das mit dem Design mögen die Italiener besser können, aber wir Steirer haben das Herz am rechten Fleck: Der Zweizylinder-Boxermotor unter der Heckklappe war ein Gustostückerl aus Graz – und den gab es nur im Puch 500.
Und den hatte ab Oktober 1957, wer 23.800 Schilling dafür lockermachen konnte. „Ein paar Ortschaften weiter hat der Bürgermeister als Einziger ein Auto gehabt. Ein Pucherl. Und wenn jemand in der Gemeinde krank war, hat er ihn damit zum Arzt gebracht.“ Das weiß Eduard Haindl zwar nur aus Erzählungen, aber schließlich lud man damals auch die Nachbarn zum Fernsehen ein, wenn man in der glücklichen Lage war, ein TV-Gerät zu besitzen. Nur mit dem Kreuz durften es die Patienten nicht haben.
„Der Franzl-Onkel hat auch ein Pucherl gehabt“, erinnert sich Haindl, während sein knallroter 500 S mit der Abendsonne um die Wette leuchtet. „Das war damals schon etwas. Damit sind sie sogar zu siebt gefahren. In den Kurven hat es hinten die Scheiben rausgedrückt vor lauter voll.“ Zwar ging der Steirerbub im Gegensatz zu seinem südländischen Karosseriegeschwisterchen gerade so als Viersitzer durch, aber so war das wohl eher nicht gedacht . . .

Ja, der kleine Kerl war zäh – Steirerblut ist schließlich kein Himbeersaft. So las man im Puchwerk damals zufrieden in der Kundenpost: „Am Berg hängen wir fast alle größeren Wagen mit Leichtigkeit ab!“, frohlockte ein Kunde. Die „Neue Zeit“ titelte 1957: „Kärntner Rigi mit Puch 500 bezwungen. Es ist das erste Mal, dass dieses schwierige Gebiet der Villacher Alpen von einem Kleinauto gemeistert wurde.“ Die Übersetzung des ersten Gangs war mit einer Steigfähigkeit von 30 Prozent der Topographie der Alpenrepublik geschuldet. Und der luftgekühlte Boxermotor mit anfangs 16 PS setzte erst bei hohen Touren so richtig zum Jodeln an. Ein weiterer Zeitzeuge: „In den Gängen kann man glatt bis auf 6200, ja 6300 U/min hochdrehen, selbst dann flattern die Ventile noch immer nicht.“
Serienmäßig war beim Pucherl aber vor allem die Erfüllung der Sehnsucht nach der weiten Welt: „Die Urlaubsparole hieß auch heuer wieder: Mit dem Kraftfahrzeug in die Bergwelt. Auf unserer Reise kamen wir nach Bayern, Liechtenstein, in die Schweiz, nach Südtirol und in sämtliche Bundesländer Österreichs“, unterrichteten zufriedene Besitzer anno dazumal die Thondorfer Ingenieure. Andere 500er-Kunden waren noch abenteuerlustiger: „Als ich meinen 500 DL abholte, da gab es für mich von vornherein nur ein Ziel für den Urlaub: den Balkan bis Istanbul. Zuerst jagten wir unseren ,Puchi‘ mit Vollgas über die fast 400 Kilometer lange Autobahn Zagreb–Belgrad.“
Es ist nicht so, dass Eduard Haindl nicht stolz ist, wenn er solche Heldentaten über sein Auto hört, aber antun würde er so etwas dem selbst restaurierten Schätzchen im Leben nicht: „Ich habe bei Steyr-Daimler-Puch zu arbeiten begonnen, da hat man eine besondere Verbindung. Deshalb wollte ich unbedingt einmal einen 500er haben.“ Wer braucht die Ferne, wenn das Pucherl steht so nah.