Und dann spricht er auch noch. Diese Technik, sie schafft es ja immer wieder, einen zu faszinieren. Moderne Turboaufladung sorgt für sattes Drehmoment und souveräne Fahrleistungen bei moderatem Verbrauch, die aufwendige Einspritzung kontrolliert Zündzeitpunkt und Spritmenge zu jeder Zeit exakt. Dass alles elektrisch arbeitet und man höchstens den kleinen Finger rühren muss, um etwas zu bedienen, versteht sich fast von selbst, und sollte einmal etwas nicht ganz in Ordnung sein, warnt einen der Bordcomputer dezent, aber bestimmt, sogar akustisch. „Achtung: Bremsflüssigkeitsstand niedrig, Kühlwasserstand kontrollieren.“ – Okay, wir haben verstanden, wird sofort überprüft, Monsieur. Cool, oder? Absolut. Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir hier nicht von einem neuen Wagen sprechen, sondern von einem, der bereits 35 Jahre auf dem Buckel hat.

Bei jeder Drehzahl und Gaspedalstellung arbeitet der 1600er-Turbobenziner des 508 kultiviert, spontan und leise. Man hat eher das Gefühl, einen großvolumigen Saugmotor unter der Haube zu haben
Bei jeder Drehzahl und Gaspedalstellung arbeitet der 1600er-Turbobenziner des 508 kultiviert, spontan und leise. Man hat eher das Gefühl, einen großvolumigen Saugmotor unter der Haube zu haben © Oliver Wolf


Und nicht nur das: Hierbei handelt es sich nicht um einen exotischen Supersportler aus dem schönen Italien oder um einen sechs Meter langen Mega­cruiser aus Detroit mit allen Knight-Rider-Gimmicks, die gerade verfügbar waren. Sondern um eine adrett, aber schlicht gezeichnete, gutbürgerliche Limousine aus Frankreich, die von der ersten Generation der elektronischen Zauberlehrlinge diverse Tricks erlernen durfte. Der 505 kam 1979 auf den Markt und hat es trotz dieser Schützenhilfe nicht nur heute als Oldtimer schwer, seinen Platz zu finden. Schon zu seiner Lancierung musste er sich von Anfang an um jeden Kunden bemühen. Schließlich durfte er sich mit einem der schwersten Erben der Auto­industrie herumschlagen, die man sich seinerzeit nur vorstellen konnte: Der selige 504 hatte nicht nur den Ruf des unzerstörbaren Dauerläufers. Die große Limousine aus Sochaux mit dem unverkennbaren Look aus dem Hause Pininfarina umwehte zudem der Nimbus des klassenlosen Begleiters.

Sobald der Ladedruck einsetzt, drückt es im 505 Turbo die Insassen spürbar in die Sitze – und die Hinterachs­federung nach unten
Sobald der Ladedruck einsetzt, drückt es im 505 Turbo die Insassen spürbar in die Sitze – und die Hinterachs­federung nach unten © Oliver Wolf


Hochdekorierte Würdenträger konnten sich mit ihm ebenso sehen lassen wie der Bistrobesitzer ums Eck oder der ambitionierte Forscher von Welt, der mit seinem Dienstwagen gleich zur nächsten Expedition nach Afrika startete. Denn gerade auf diesem Kontinent galt der stattliche Löwe als beliebtes Fortbewegungsmittel, da er die dortigen Straßenverhältnisse ohne Murren wegsteckte und praktisch so lange fuhr, solange noch ein Tropfen Öl im Motor und ein Tropfen Benzin im Tank war.

Das alles formt natürlich ein tolles Image, gegen das der 505 erst einmal ankommen musste. Damit das gelang, entschied sich Peugeot für einen kreativen Mix aus Tradition und Moderne: Das zeitgemäße Design lieferte erneut Pininfarina, beim Fahrwerk vertraute man auf die erprobten Komponenten des Vorgängers – und entschloss sich, diesen als Einstiegsversion gleich noch ein paar Jahre weiterzubauen. Diese Technikverwandtschaft macht den 505 auch gleichzeitig zum letzten Modell dieses Herstellers mit Heckantrieb und längs eingebautem Motor – und gleichzeitig zum ersten, der in den Genuss der Spielereien der technikverliebten 1980er kommen durfte. Servolenkung gehörte bereits zum guten Ton, dazu gesellte sich der erste Turbodiesel der Markengeschichte genauso wie Zentralverriegelung (ab 1986 sogar mit Fernbedienung), Tempomat, Klimaanlage und ab 1983 ein serienmäßiges Sperrdifferenzial bei den stärkeren Versionen.

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Am stärksten legte man sich natürlich beim Topmodell der Baureihe ins Zeug, das 1984 die Bühne betrat: beim Turbo Injection. Der Name war hier definitiv Programm, und der selbstbewusste Turbo-Schriftzug auf der C-Säule verrät, dass man auf dieses Technikpaket zu Recht ein wenig stolz war: Auf Basis eines 2,1-Liter-Chrysler-Blocks (die Amerikaner hielten seinerzeit Anteile an Talbot, die etwas später in Peugeot aufgingen) entstanden dank Turbolader mit Ladeluftkühlung 155  PS, die durch die installierte L-Jetronic-Einspritzung von Bosch aber keineswegs schlagartig und unzivilisiert zu Werke gingen.

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Das maximale Drehmoment von 254 Newtonmetern stand bereits bei 3000 Umdrehungen zur Verfügung – ein Wert, der damals jedem Sportwagen zur Ehre gereicht hätte. Das resultierte natürlich in sensationellen Fahrleistungen: Die 100-km/h-Marke fiel bereits nach 8,6 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit lag bei über 200, wobei die reinen Zahlen die Faszination alter zwangsbeatmeter Motoren nur unzureichend darstellen können. Es ist diese ganz spezielle Art der Vorfreude auf den Schub, sobald die Nadel der Ladedruckanzeige anfängt zu tanzen und der Turbo so deutlich pfeift, dass man im Innenraum vermuten könnte, im Handschuhfach würde gerade ein ausgewachsener Sturm losbrechen. Im nächsten Moment verspannt sich der gesamte Antriebsstrang, weil gerade jede Menge Drehmoment unterwegs zur Hinterachse ist und die Federn der Hinterachse drückt es gleichermaßen stark zusammen wie die Insassen in die Sitze.

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Über diese emotionalen Eigenheiten der frühen Tage kann der 508 nur lachen. Natürlich hat er Turboaufladung. Natürlich modernste Elektronik, die sowohl Gemischaufbereitung als auch Infotainment, Klimatisierung und Fahrverhalten managt. Für 181 Pferde reichen ihm aber schlanke 1,6 Liter Hubraum und die 250 Newtonmeter liegen nicht nur schon bei 1650 Umdrehungen an. Sie gehen auch so spontan zu Werke, dass man glauben könnte, einen großen Saugmotor zu fahren. Schub ist einfach in jeder Lebenslage vorhanden, und dank des ausgeklügelten Fahrwerks gibt es kein nervöses Versetzen unter Volllast oder gar Zerren in der Lenkung. Peugeots große, moderne Limousine zieht unbeirrt nach vorne, und auch sonst zeigt sich in jedem Detail eine erstaunliche Geradlinigkeit, die schon beim Design anfängt: Wieder erfanden die Franzosen die Idee der Limousine neu, indem sie ihr bewusst eine coupéhafte Linie verpassten. Schließlich steht nirgends geschrieben, dass ein Viertürer nicht auch überaus schick sein darf. Und damit die praktischen Talente nicht zu kurz kommen, öffnet mit der Heckklappe die hintere Scheibe gleich mit, was das Beladen natürlich um einiges leichter macht. Und das ist aber nur ein Teil der Revolution des Stufenhecks.

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Der Innenraum mutet nicht nur im Vergleich zu jenem des 505 wie ein Raumschiff an. Auch nach heutigen Maßstäben ist das Konzept der Löwenbändiger mit dem bewusst klein dimensionierten Lenkrad und den hoch oben angeschlagenen In­strumenten einzigartig: So sind alle wichtigen Informationen stets im Blickfeld des Fahrers versammelt – und zwar wirklich alle. Schließlich vertraut der 508 nicht mehr auf analoge Rundinstrumente, sondern auf volldigitale, hochauflösende Displays, die je nach Konfiguration praktisch über alles informieren, was gerade im und vor dem Auto so passiert. Schließlich verfügt der elegante Viertürer über alle Assistenzsysteme, die gerade en vogue sind. Abstandsregeltempomat? Spurverlassenswarner? Fußgängererkennung? Bien sûr, alles vorhanden, genauso wie ein aufwendiges Infotainmentsystem, das von Navigation über Apple CarPlay und Android Auto alle Stückeln spielt. Kein Grund jedenfalls, sich über die fehlende Ladedruckanzeige zu beklagen – die Neuzeit hat ganz andere Dinge zu bieten.

Jetzt war es natürlich von Anfang an sonnenklar, dass diese zwei Fahrzeuge nicht viele Gemeinsamkeiten haben würden. Und dennoch: Je mehr man sich mit ihnen befasst, desto schneller wird einem klar, wie viel Liebe Peugeot in die Details des 508 gesteckt hat – und wie viele vom 505 inspiriert waren. Der Schriftzug an der C-Säule – in moderner Fassung befindet sich dort die Bezeichnung der Ausstattungslinie „GT“. Die Form der Scheinwerfer, so wie damals mit nach oben gezogenen Augenbrauen. Das flach auslaufende Heck, der kurze vordere Überhang – das muss man den Designern und Entwicklern schon lassen: Alles neu und besser zu machen, aber dennoch unverkennbar einen echten Löwen zu bauen. Da fehlen selbst dem 505 jetzt einmal die Worte.