Hohl müssen sie sein. Und am besten von Hand gerollt, mit viel Sorgfalt und noch mehr Liebe. Dann sind sie perfekt. Die Orecchiette, spezielle Nudeln, für die Apulien besonders bekannt ist. „Das macht die Mama am Sonntagvormittag für die ganze Familie. Dann noch Stängelkohl, Olivenöl und Fisch dazu und ,Orecchiette con le cime di rapa‘ sind perfekt!", erzählt Marco Urbano von dem Paradegericht seiner Heimatregion. Und wenn er von den Kochkünsten seiner Geburtsstadt Vieste erzählt, dann läuft einem schon beim Zuhören das Wasser im Mund zusammen – hohle Nudeln, voller Geschmack.

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Ach ja, Italien! Gelati und Spaghetti, Cocobelli und Signorinas. Die entspannten Stunden auf der Strandliege am Swimmingpool oder auf dem Motorboot. Dem Flanieren und Gustieren durch die Altstadtgassen mit ihren zahlreichen Ristorantes und Vespas und Alfas. Der unvergleichliche Duft des Urlaubs, getrocknet von der sanften Brise des Mittelmeeres, das alles lässt uns sofort an unser liebstes Ferienland denken. Auch heute. Bei Regen. In Voitsberg. Doch zum Glück ist die wahre Sonne im Kopf und das echte Italien im Herzen. Und um das zu finden, besuchen wir Urbanos Lokal „La Corte". Was ist es, Signore Urbano, das das Essen und die Fahrzeuge aus unserem südlichen Nachbarland so unverwechselbar macht?

„Bei uns ist einfach immer das Herz dabei. Natürlich auch beim Essen. Passione, die Leidenschaft, ist ganz wichtig. Amore, die Liebe, schmeckt man einfach." Sie lieben was sie tun, und das merkt man selbst an banalen Tätigkeiten. Wie Marcos Frau Cosmina den Vespasattel abwischt. Das ist kein beiläufiges Abledern, sondern beherztes Abtrocknen, mit geschwungenen Bewegungen und eleganter Tuchführung, genau den Linien des Kultrollers folgend. Bevor es weitergeht, müssen wir schnell bestellen. Nein, nicht schnell bitte, in Italien nimmt man sich Zeit. „Hier sagt man immer nur, ‚Gehen wir schnell etwas essen‘, dabei ist das ungesund. Bei uns zelebrieren wir das.."

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Dieser Zugang hat etwas, genau so wie Alfa Romeos und Vespas. Doch was genau eigentlich? „Ich bin selber Fan von alten Autos", erzählt Urbano. „Schön sind sie ja alle, aber nur die italienischen haben diesen gewissen Stil. Weißt Du, die deutschen Autos waren technisch vielleicht besser, aber die italienischen Marken hatten einfach immer das gewisse Etwas. In Italien kann man kein Auto verkaufen, das keinen Stil hat. Das ist genau so wie mit der Mode. Sie muss schön sein."

Schönheit, ein guter Punkt. Alleine, wie die gerade servierten Pizzen aussehen. Mit knusprigem Teig, frischen Zutaten und fein zerronnenem Mozzarella. Da hat auch das Auge mehr als genug zu essen. Und wie kommt die neue Giulia im Hause Urbano an? „Sehr schön! Sportiva, so muss ein Alfa sein. Und ein bisschen aggressiv, das ist genau richtig." Spätestens jetzt muss sich der Koch dazugesellen. Luca und der Hausherr kennen sich seit der Gastroschule und für ihn gibt es nichts anderes als die Marke aus Mailand. Ob die Giulia ein Diesel ist? Natürlich nicht, Luca, ein Benziner mit Turbo und 200 PS. Und so toll die verbaute Automatik auch sein mag – über ein knackiges Schaltgetriebe geht ja doch nichts. Doch keine Sorge, auch das ist erhältlich, mit sechs eng abgestuften Gängen.

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Die Hälfte der Pizza ist bereits verdrückt und Marco blättert im goldenen Buch der Erinnerungen: „Mein Vater war selber Autonarr und arbeitete früher in einem Haubenlokal in Detroit. Die ganzen Big Bosse von Chrysler, Ford und GM kamen dorthin. Und Jacques Nasser, damals der Chef bei Ford, erzählte ihm einmal, dass Henry Ford II, also der Enkel des Firmengründers, vor keinem Auto den Hut gezogen hätte. Außer vor dem Alfa Spider."

Luca kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Alfa ist für ihn einfach Kult. „Und dass sie jetzt auch noch in die Formel 1 zurückgekehrt sind, freut jeden Italiener." Die Pizza zergeht inzwischen auf der Zunge. Nur die besten Zutaten verwenden, das ist das große Geheimnis, meint Urbano: „Ich hole sie immer selber aus Italien. Vor allem das richtige Mehl ist sehr wichtig. Wir verwenden gerne Sorten ohne Weizen.." Und nicht zu vergessen natürlich: der richtige Umgang mit dem Teig. „Der muss mindestens 24 Stunden Zeit haben, um aufzugehen. Nur dann wird er so leicht und ist gut verdaulich."

Ob er selbst noch gerne kocht? „Und ob! In meinen Adern steckt nach wie vor Mehl statt Blut." Und auf so eine Frage der Ehre kann man als echter Italiener nur mit einem Pizzateig antworten, den Urbano kunstvoll durch die Lüfte wirbelt.

Zum Abschluss gibt es noch ein selbstgemachtes Eis – Joghurt und Erdbeer. Selbst dafür eignet sich der Sattel der Vespa perfekt. Man könnte fast meinen, die Möglichkeit zum Verzehr italienischer Nachspeisen stand seinerzeit im Lastenheft der Konstrukteure bei Piaggio. „Das ist einfach die Kunst zu Leben", ergänzt Urbano entspannt. „Essen und Autos, was braucht man denn schon mehr?"