So mancher wird ihn bei den Erprobungen auf dem Schöckl oder den Grazer Straßen schon gesehen haben. Der Ineos Grenadier, einen Geländewagen des alten Schlags, der einem auf den ersten Blick bekannt vorkommt - und auf den zweiten dann doch wieder nicht.

Der Grenadier steht für eine streng der Funktion folgenden Karosserie, unter der Leiterrahmen, Starrachsen, sperrbare Differenziale und Allradantrieb ans Werk gehen. Für die Entwicklung hat sich Ineos das Know-how von Magna Steyr ins Boot geholt. Bei den Motoren bedienen sich die Engländer bei den Bayrischen Motorenwerken: Der Diesel (249 PS) und der Benziner (285 PS) haben hüben wie drüben sechs Zylinder, drei Liter Hubraum und sind an eine Acht-Gang-Automatik von ZF gekoppelt.

Aber da kommt noch mehr: Bereits Ende 2022 soll der erste Prototyp des Grenadier mit Brennstoffzellen-Antrieb in die Erprobung gehen. Warum das so ist, ist schnell erklärt: Der Mutterkonzern Ineos ist aktuell Europas größter Betreiber von Elektrolyseanlagen zur Herstellung von reinem und kohlenstoffarmem Wasserstoff. Das Unternehmen produziert und nutzt bereits jährlich 400.000 Tonnen kohlenstoffarmen Wasserstoff, was dem Verbrauch von mindestens zwei Milliarden Litern Diesel entspricht. Mehr als zwei Milliarden Euro will man künftig in neue Wasserstoffproduktionen europaweit zu investieren.

Der Geländewagen ist dem altehrwürdigen und 2016 ausgelaufenen Land Rover Defender wie aus dem Gesicht geschnitten. Aber das war auch die Idee hinter dem Ineos Grenadier. Er soll als unverwüstliches Arbeitstier und Abenteurer da anknüpfen, wo sein Vorbild aufgehört hat.

Der Arbeitsplatz im Ineos Grenadier
Der Arbeitsplatz im Ineos Grenadier © INEOS Automotive

Hinter Ineos Automotive steht der britische Milliardär Sir Jim Ratcliffe. Die 2017 gegründete Fahrzeugsparte ist ein Tochterunternehmen seines Chemie-Konzerns Ineos Group, die 23.000 Menschen in 26 Ländern beschäftigt. Der öffentlichkeitsscheue Unternehmer gilt als Autonarr und Abenteurer mit einem Faible für hemdsärmelige Offroader. Zunächst wollte er den Land Rover Defender nach dessen Produktionsende einfach weiterbauen. Ein Projekt, dem Jaguar Land Rover eine Absage erteilte.

Also machte er sich daran, ein eigenes Auto im Geiste des Kultkraxlers zu entwerfen. Die ersten Ideen dafür will Ratcliffe in seinem Londoner Lieblingspub „The Grenadier“ auf einem Bierdeckel skizziert haben. Wenn es nicht wahr ist, so ist es immerhin gut erfunden – und der Name ist geblieben.

Prototypentests laufen bereits, 1,8 Millionen Kilometer muss der Grenadier in der Erprobung auf der Straße und im Gelände zurücklegen. Gebaut soll der Kraxler im ehemaligen Mercedes-Benz-Werk im französischen Hambach werden und die Produktion Ende 2021 anlaufen. In diesem Werk wird derzeit der elektrische Smart Fortwo gefertigt, das wird Ineos als Auftragsfertigung fortsetzen - weshalb auch schon von einem kleinen Elektro-Ableger der Marke die Rede war. Erste Auslieferungen des Grenadier sind ab Juli 2022 geplant.

Wer einen Grenadier bestellt, der ordert quasi ein weißes Blatt Papier, dass sich mit diversem Zubehör individuell Richtung Arbeit oder Freizeit gestalten lässt. Der Innenraum soll sich mit dem Schlauch abspritzen lassen, die vorderen Kotflügel werden vom Hersteller (selbstverständlich nur dann, wenn sich das Auto nicht bewegt) ausdrücklich als Sitzgelegenheit empfohlen. Am Heck kann eine Leiter als Zugang zum Dach montiert werden.

An den Türen prangen solide Schutzstreifen oder eine optionale Leiste, an der Zubehör wie ein Reservekanister angebracht werden kann. Als Reinkarnation des Defender hat der Grenadier natürlich auch die charakteristische, seitlich angeschlagene Hecktüre, an der man das Reserverad montieren kann. Allerdings ist sie beim Ineos zweigeteilt. Externe Verkabelung mit Anschlussmöglichkeiten vorne und hinten am Dach ist serienmäßig. So können Zusatzleuchten, Arbeitslampen oder Lichtbalken einfach betrieben werden.

Die Frontscheinwerfer sind links und rechts baugleich, was Wartung und Teileverfügbarkeit vereinfacht. Auch die Heckleuchten nutzen eine gemeinsame Einheit. Die Nutzlast soll bei einer Tonne liegen, die Anhängelast bei 3,5 Tonnen. Und er erfüllt auch das Gardemaß der Arbeitstiere: Eine Euro-Palette passt hinein.

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