"Ich gebe lieber eine Woche mein Handy ab als den Autoschlüssel."
"Ich gebe lieber eine Woche mein Handy ab als den Autoschlüssel." © Oliver Wolf Foto GmbH

Und da war es auch schon um ihn geschehen. Fünf oder sechs Jahre war Sebastian Wimmer alt, als sich eine nicht unwesentliche Weiche stellte, mit einem lauten, metallenen Klacken auf dem eisernen Schienenstrang seines Lebens einrastete. Fünf oder sechs Jahre, so genau kann er sich nicht mehr erinnern. Aber an die Drachen, die laut brüllend an ihm vorbeistampften, wütend schnaubend, tief Luft holend den Stoderzinken hinaufstoben. Deren blecherne Rüstungen im Sonnenlicht blitzten. Deren Duft er tief in sich aufsog und der sich so selbstverständlich in sein Gedächtnis einprägte wie der von frisch gebackenen Keksen zur Weihnachtszeit oder gerade gemähtem, taunassem Gras. So genau weiß er es noch, als wäre es gestern gewesen.

Dabei ist es jetzt schon 15 Jahre her, dass Sebastian und sein Vater in der Steiermark am Straßenrad standen und dabei zusahen, wie das  Starterfeld der Ennstal-Classic an ihnen vorbeibrauste. „Das hat mich damals schwer beeindruckt“, sagt er, während der dunkelgrüne Lack seines MGB GT die Strahlen der Herbstsonne einfängt. Er leuchtet wie die Augen des inzwischen 21-Jährigen, wenn er stolz auf sein Coupé Baujahr 1972 blickt. Sein erstes eigenes Auto hat der Oberösterreicher schon besessen, als er noch gar keinen Führerschein hatte. „Es war meine erste offizielle Fahrt, als ich den Volvo nach Hause geholt habe“, erinnert er sich an den großen Tag. Und es war natürlich nicht irgendein Volvo, sondern ein 480 Turbo – ein Youngtimer reinsten Wassers.

Der MGB Baujahr 1972 ist fast ein Vierteljahrhundert älter als sein Besitzer Sebastian Wimmer
Der MGB Baujahr 1972 ist fast ein Vierteljahrhundert älter als sein Besitzer Sebastian Wimmer © Oliver Wolf Foto GmbH

Mit dem HTL-Abschluss in der Tasche dauerte es dann nicht lange, bis der britische Klassiker vor der Tür stand. „Ich wollte eigentlich keinen grünen MG, aber als ich ihn dann gesehen habe ... Er sieht ein bisschen aus wie ein kleiner Aston Martin und ist ein wunderbarer Einsteiger-oldtimer, weil er so robust und alltagstauglich ist“, schwärmt Sebastian. Zarte 95 PS und der kernige Klang des Vierzylinders haben damals zum großen Glück gereicht und vermögen es auch heute noch.
Und dann ist ja noch etwas passiert: Gemeinsam mit einem Freund war kürzlich der Kauf eines Austin Healey Sprite vulgo „Frogeye“ unausweichlich. „Der braucht allerdings noch ein bisschen Arbeit, bis er fertig ist.“ Zarte 21 Jahre also – und damit jünger als jedes der drei Autos in seiner Garage, die zusammen 125 Lenze zählen. So viel zur Statistik, jetzt eine schnelle Standortbestimmung: Lieber eine Woche ohne Smartphone, Facebook, Instagram und Co? Oder ohne Schlüssel für die Oldtimer? „Da gebe ich mein Handy ab“, sagt der Student der TU Graz wie aus der Pistole geschossen. „Das Einzige, wofür ich es echt vermissen würde, wäre das Oldtimer-Inserateschauen. Das mache ich nämlich jeden Tag. Alles, was neu hereinkommt bis Baujahr 1990. Mini, Jaguar und Land Rover gesondert“, gibt Sebastian Einblick in sein Beuteschema. Ein Jaguar XJ6 oder ein Austin A35, die stehen derzeit auf der Wunschliste ganz oben.

Und moderne Autos? „Wenn ich beruflich wirklich viel fahren müsste, dann würde ich mir ein neueres Auto kaufen. Aber nur, weil es günstiger ist und ich die Oldtimer im Winter nicht kaputt machen möchte“, sagt er und der Gedanke an die gesalzenen, mit Rollsplitt gesprenkelten Straßen gefällt ihm gar nicht. „Es gibt schon welche, die mich interessieren, aber die sind ganz eindeutig nicht meine Preisklasse“, sagt Sebastian. „Die, die ich mir heute leisten könnte, sind zwar moderner – aber sonst haben sie für mich keinen echten Vorteil. Das Navi habe ich am Handy und eine Klimaanlage brauche ich nicht unbedingt, ich mache die Fenster auf.“

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Der angehende Wirtschaftsingenieur zieht da eine klare Grenze: „In einem Oldtimer freue ich mich über jeden Meter, den ich unterwegs bin. Wie das fährt und lenkt und riecht. Das ist echt. In einem modernen Auto ist es für mich einfach nur Fortbewegung.“ Genau die wird aber eines Tages Teil seiner beruflichen Zukunft als Techniker sein. Die Digitalisierung des Automobils, autonom fahrende Roboter, elektrische Antriebe – Sebastian wird mittendrin sein, wenn sich unsere Mobilität grundlegend verändert. „Den Verbrennungsmotor würde ich sehr vermissen – wie die Maschinen vibrieren, da steckt ja Leben drin“, erzählt er nicht ohne Wehmut in der Stimme. Dennoch weiß er  noch nicht, ob er im Studium das Fach „Kolbenmaschinen“ belegen wird. „Interessieren würde es mich natürlich mehr, aber ob das dann noch gefragt ist?“
Der Funke für Elektroautos ist bei Sebastian jedenfalls noch nicht übergesprungen. „Strom ist nicht meine Materie. Da habe ich auch beim Oldtimerbasteln immer Probleme“, schmunzelt der Freistädter. „Ich kann mir heute nicht vorstellen, dass ich mit einem Elektroauto einmal nur deshalb eine Runde drehe, weil es so cool ist.“

Was er mit einem Lottogewinn anstellen würde, das weiß er hingegen schon ziemlich genau: „Von dem Geld würde ich eine Werkstatt für Oldtimer aufmachen. Damit ich mir das als Hobby leisten kann.“ Ein Hobby, das er nicht mit vielen Gleichaltrigen teilt, auch wenn er sich diebisch darüber freut, dass seine Begeisterung für das alte Blech wohl die Initialzündung dafür war, dass sich zwei seiner HTL-Kollegen eigene Oldtimer gekauft haben. Aber dafür gibt es in Österreich – allen voran in Graz – inzwischen eine sehr rege Youngtimerszene, in der viele junge Leute andocken. Es sieht rosig aus, dass analoge Autos noch länger nicht zum alten Eisen zählen.