Sein Rücktritt als erfolgreicher Vorstandschef von Seat am 7. Jänner dieses Jahres war ein Paukenschlag, überraschte aber so manchen Branchenkenner nicht sonderlich. Schließlich hatte sich in der Szene schon längere Zeit das hartnäckige Gerücht gehalten, dass Luca de Meo dem unwürdig gefallenen Carlos Ghosn als Boss von Renault folgen könnte. Ende Jänner bestätigte der französische Hersteller den Wechsel dann offiziell.

Der Abgang des smarten Italieners dürfte Volkswagen hart getroffen haben. Zählte das 52-jährige Marketing-Genie doch zu den beliebtesten und angesehensten Führungskräften des Hauses Wolfsburg. Selbst Volkswagen-Patriarch Ferdinand Piëch sprach wertschätzend über ihn. Seine Bodenhaftung und seine kommunikative Begabung hatten dem geschmeidigen Trendsetter im streng hierarchisch geführten Konzern schnell alle Türen geöffnet: So glänzte er als Marketingchef von Volkswagen und Audi ebenso wie zuletzt als Vorstandsvorsitzender von Seat, wo er mit seinem südländischen Habitus nahezu eine Idealbesetzung war.

Diese war Luca de Meo zuvor aber auch schon im heimatlichen Italien. Als Erfindung von Konzernchef Sergio Marchionne entwickelte sich der gebürtige Mailänder zum Gesicht von Fiat, Alfa Romeo und Abarth. Marchionne machte ihn mit 36 Jahren zum Chef von Fiat. Zehn Jahre lang führte er die Kernmarke, brachte den Cinquecento auf den Markt und reanimierte die Sportmarke Abarth. Seinem Mentor trauert er nach: "Ich wäre heute nicht hier, wäre ich Marchionne nicht begegnet.“

Und jetzt: Renault.Volkswagen-Boss Herbert Diess kämpfte bis zuletzt um seinen Mann, der 2019 mit Seat noch ein Rekordergebnis eingefahren hatte. De Meo, im Vorjahr in Spanien als Unternehmer des Jahres ausgezeichnet, war in Barcelona keineswegs unglücklich – doch das Angebot, in Paris ein ganz großes Rad zu drehen, war zu verlockend. Wobei in Wolfsburg viele sagen: Hätte man Luca seinerzeit die Führung von Audi anvertraut, worauf er insgeheim gehofft haben soll, hätte sich Renault wohl jemanden anderen suchen müssen. Die sechsmonatige Stehzeit war übrigens kein Revanchefoul, sondern eine übliche Wettbewerbsklausel, die auch höher hätte ausfallen können.

Den französischen Autoriesen übernimmt Luca de Meo in einer der schwersten Krisen des Unternehmens. Mit den Allianzpartnern Nissan und Mitsubishi am Weg zur Weltmarktführerschaft, war Renault im Vorjahr in schwere Turbulenzen geraten und erstmals seit 2019 wieder in rote Zahlen gerutscht. Die Corona-Pandemie und der damit verbundene Absatzeinbruch verschärften die Situation. Frankreich hat nun mit den Banken einen staatlich garantierten Kredit von bis zu fünf Milliarden Euro vereinbart, um Renault wieder in die Spur zu bekommen und neu aufzustellen.

In Paris traut man es dem grau melierten Italiener zu, diese Herkulesaufgabe zu stemmen. Der Commendatore war Wunschkandidat der Eigentümer: Bestvernetzt und frei von Allüren, sind es im Besonderen die kulturelle Offenheit und das diplomatische Geschick des fünfsprachigen Kosmopoliten, auf die man bei Renault setzt. Die brüchige Beziehung mit Allianzpartner Nissan zu kitten, zählt zu den vorrangigen Aufgaben.

Für Luca de Meo, der einst seine Karriere bei Renault startete, ist es eine Heimkehr. Der Stallgeruch könnte ihm zugutekommen, weil er weiß, wie der Konzern tickt: Renault gilt nicht zuletzt wegen des politischen Einflusses (der französische Staat hält immer noch 15 Prozent der Anteile) als Schlangengrube, da ist es hilfreich, wenn man die Kraftlinien kennt. Fest steht aber auch: Wenn der Wirtschaftsdoktor am kommenden Mittwoch in Paris seinen Dienst als Notarzt antritt, wird er nicht mit einer Schonfrist rechnen dürfen.

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