Enzo Ferrari gab sich im Gespräch schnell aufbrausend, Gianni Agnelli stets eloquent und charmant, Lee Iacocca zumeist humorvoll. Ferdinand Piëch hatte nichts von dem. Der bedeutendste Automanager der Welt war vielmehr spröde und wortkarg. Hätte man den in Wien geborenen Porsche-Enkel als Charmebolzen oder Plaudertasche bezeichnet, wäre es der Witz der Autogeschichte gewesen. Sein Harmoniebedürfnis halte sich in Grenzen, ließ Piëch wissen, er lege keinen Wert darauf, sympathisch oder gar beliebt zu sein. Einen wie ihn würde die Mehrheit des Volkes nicht wählen, weil er zu kantig und zu introvertiert sei.

An den Tisch von Ferdinand Piëch gebeten zu werden, war dennoch immer ein Erlebnis. Es war so etwas wie ein Ritterschlag, und stets eine Herausforderung. Man tat gut daran, gut vorbereitet zu sein, weil Piëch von jedem Gesprächspartner Kompetenz und Fachwissen einforderte. Small Talk ging gar nicht. Hätte man mit Piëch über das Wetter oder den Abgang des gereichten Rotweins reden wollen, wäre einem das nächste Mal ein Platz am Katzentisch sicher gewesen. Piëch sprach ruhig und extrem leise, oft in Halbsätzen, zwischen den wohlgewählten Worten machte er öfters kurze Pausen. Manches davon schien orakelhaft, das man oft erst später zuordnen konnte.

Am Höhepunkt seiner Macht seine Auftritte zu beobachten, war jedes Mal ein Schauspiel. Wenn Piëch, eingehakt bei seiner Frau Uschi, mit stechendem Blick an der Spitze der devoten Entourage durch die Hallen eines Autosalons flanierte, stand die Branche Spalier. Der Respekt, den man dem charismatischen, aber unnahbar wirkenden Patriarchen entgegenbrachte, hielt bis zuletzt an. Selbst bei Menschen, die mit Piëch so gar nicht konnten. Und von denen gab es reichlich. Die Feinde Piëchs sind nicht zählbar, würden aber eine Hauptversammlung füllen, spottete ein deutsches Magazin.

Tatsächlich waren seinem bedingungslosen Führungsstil Legionen von Top-Leuten zum Opfer gefallen. Piëch war über zwei Jahrzehnte lang in Wolfsburg das Regulativ und Gesetz. Gestützt vom Kapital, seiner Hausmacht und nicht zuletzt von seinem Erfolg, galt er bis zu seinem Fall im Frühjahr 2015 als unantastbar und hatte freie Hand. Wer sich gegen das System Piëch auflehnte, dem Autokraten die Gefolgschaft verweigerte oder ihm gar zu nahe rückte, wurde zügig in die Wüste geschickt. Darunter langjährige Wegbegleiter wie Fritz Indra, Jürgen Stockmar, Herbert Demel oder Bernd Pischetsrieder.

Auch auf Kritik reagierte Piëch dünnhäutig. Wer ihm je gegen das Knie trat, kam auf die Watchlist. Wir taten es einmal, als Piëch bei Audi war und noch einen Chef hatte, der ihn zum Rapport rief – wegen eines Prototyps, den Piëch verschwiegen hatte, den wir aber bei Geheimtests in der Steiermark vor die Linse bekamen und auf die Titelseite rückten. Piëchs elefantenhaftes Gedächtnis bekamen wir erst Jahre später zu spüren, als uns der "Rottweiler der Autoindustrie“ („Financial Times“) von der Gästeliste einer Weltpremiere strich. Der lange Arm des "Alten“ war gefürchtet.

Sein Privatleben hielt der Vater von 13 Kindern völlig unter Verschluss. Piëch war extrem verschwiegen und misstrauisch. Per Du war er nur mit dem Werksarzt von Audi. Den Kreis jener, die er nahe an sich heranließ, konnte man an einer Hand abzählen. Sein Lieblingsrennfahrer Walter Röhrl gehörte dazu. Röhrl: "Ich war oft eingeladen und da lernte ich auch seine weiche Seite kennen." Zum 80. Geburtstag überraschte er seine Gäste mit einem Spruch des Schriftstellers Ödön von Horváth in der Einladung. "Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu“, stand da. Diese Selbstironie hatte Piëch kaum jemand zugetraut.

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